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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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zur Bühne und kramte in seinem Instrumentenkoffer, kehrte schließlich mit Notenpapier zum Tresen zurück.
    Wolfgang nahm ein Blatt und skizzierte, was ihm gestern auf dem Nachhauseweg eingefallen war. Als er nachdenklich aufschaute, entdeckte er die dunkel glänzende Mähne, und sein Herz änderte den Takt. Dass es inzwischen nur mehr Viertel schlug statt der Sechzehntel vom letzten Mal, ignorierte er, nahm all seinen Mut zusammen und ging zu ihrem Tisch, mit Schritten wie auf Gelee.
    »Mein Compliment, Mesdemoiselles.« Er verbeugte sich erst vor ihr, dann vor ihrer Begleiterin. »Ob ich wohl heute auf die gütigste Ehre hoffen kann, Mademoiselle auf ein Glas guten Weins einzuladen?«
    Sie sprach, ohne Wolfgang anzusehen. »Kein Interesse, wir sind schon versorgt.«
    Mit einem Kloß im Magen, einem im Hals und noch mehr Gelee unter den Füßen trollte er sich zum Tresen zurück und sah, wie Adrian und Czerny einen Blick wechselten.
    »Was schaut ihr so? Sie will nicht, je nu.«
    Adrian verzog das Gesicht zu einer gequälten Grimasse. »So wird das nix, Wolfgang.«
    »Und wie, bittschön, sollt ich es nach deiner Meinung anstellen?«
    »Na ja …« Adrian musterte Wolfgangs Jackett. »Du solltest vielleicht nicht gerade diesen Anzug anziehen!«
     
    Es war nach Mitternacht, als Wolfgang nach Hause kam. Piotr saß, im Schein seiner kleinen Leselampe, mit gekreuzten Beinen auf dem Bett und sah von einem Buch auf. Die Schatten teilten sein Gesicht in Berg und schwarzes Tal.
    »Ist zu spät für Arbeit jetzt!« Piotrs Ton war rau, ja bissig.
    Wolfgang lächelte schwach und suchte in Piotrs Gesicht nach einer Erläuterung. Die Ausdrucksweise des Polen erschloss sich ihm zuweilen erst nach genauerem Hinsehen. »Ich bin ja auch längst fertig mit der Arbeit.«
    »So? Bist
du
fertig mit Arbeit, ja?« Piotrs Stimme schlug mit Wucht auf ihn ein. »Habe ich allein gearbeitet heute!«
    Wolfgang erschrak. Das Engagement beim Welschen! »O herrje, Piotr.« Er ließ sich so schwer auf das Sofa fallen, dass er wieder hochfederte. »Ich hab’s vergessen! Vor lauter Arbeit im Kopf hab ich keine Arbeit im Kopf.« Lachend wippte er auf dem Sofa auf und ab. »Dabei solltest du mich loben, wo ich doch so fleißig war, lustig gespielt habe und meinem Freund Adrian der Kompositionen so reichlich aufgeschrieben habe.«
    »Ist gleiche Freund, was hat nicht bezahlt für Auftritt?«
    »Ach Piotr, ich habe gewiss nichts anderes im Sinn als mein Auskommen, doch muss man sich erst die rechten Verbindungen machen, dann will die Münze alsbald klingen. Sieh …« Er zog den Schein aus seiner Tasche, den der Wirt des
Blue Notes
ihm gegeben hatte. »Da klingt sie schon. Schön klingt sie, nicht wahr?«
    Piotr schnaubte. »Hast du gehört, wie klingt Wirt, wenn ich komme ohne Pianist!«
    Pianist. Piotr betonte das Wort stets auf dem ersten i, so dass sich Wolfgang jedes Mal unwillkürlich der Gedanke aufdrängte, es müsse ein Instrument namens Pia sein, das er spielte. »Der PIA-nist, sag ihm, hat auf der Pia müssen spielen, da wird er gewiss ein Verständnis haben. Haha, denn wer die Pia kennt, der kommt gleich gerennt. Der PIA-nist, der bei der Pia ist.«
    »Hör auf, ist kein Spaß, Wolfgang. Ist drittes Mal schon. Weißt du genau, dass ich mich verlasse auf dich.«
    »Piotr! Lass gut sein, es soll gewiss nicht wieder vorkommen, ich gelobe Besserung, ich schwöre redlich, mich zu bessern, ich verspreche hoch und heilig …«
    »Nicht reden! Machen!« Mit einem Knall schlug Piotr das Buch zu, das auf seinen Beinen lag, zog sich die Decke unters Kinn und ließ die Dunkelheit ins Zimmer.
    Wolfgang saß still, fühlte, wie das Sofa weiter unter ihm nachfederte und starrte auf die allmählich aus dem Dunkel hervortretenden Konturen. Das dritte Mal. Was meinte Piotr? Er konnte sich nicht erinnern, den Geiger schon einmal versetzt zu haben. Er schlich ans Fenster, sah in die letzten leuchtenden Augen der Häuser gegenüber und hatte für einen Moment das Gefühl zu schweben, ohne jeden Halt. Irgendetwas, tief in seinem Inneren, nagte beharrlich und ließ ihn wissen, dass es Unrecht gewesen wäre, Piotr einen Lügner zu nennen.
***
     
    »Guten Morgen, Gernot!« Professor Michaelis nahm seine Brille ab, reichte dem linkischen Diplomanten die Hand und hieß ihn, auf der gegenüberliegenden Seite seines Schreibtisches Platz zu nehmen. »Sind Sie weitergekommen mit Ihrer Arbeit?«
    »Ich, äh, ja also, ich habe mir überlegt, dass das mit diesen

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