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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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Füßen.

Confutatis
     
    Confutatis maledictis,
    Flammis acribus addictis,
    Voca me cum benedictis.
     
    Irgendwie musste ihm Zeit abhandengekommen sein, sie fehlte, als hätte ihm jemand ein Stück davon geklaut. Die Stadt bläute schon. Hatte er geschlafen? Er kauerte mit dem Gesäß auf der Lehne einer Parkbank und bemerkte, dass er fror, brauchte ein paar Atemzüge, sich zu orientieren; die Gegend war ihm unbekannt. Als er losging, fielen ihm Singlingers Worte wieder ein wie ein Traum, Stückwerk, das nach dem Erwachen heraufdämmert. Seine Noten! Rasch lief er zu der steinernen Bank zurück, suchte darauf, darunter, daneben. Hatte er sie bei Singlinger liegenlassen? Er rannte zum Verlagshaus, verwundert, den Weg zu kennen, doch es war bereits verschlossen. Schließlich fand er die graue Pappkladde neben einer Platane gegenüber dem Verlagseingang und beschloss, keine weiteren Gedanken an verlorene Gedanken zu verlieren.
    Plagten ihn doch ganz andere Sorgen: Wie sollte er Piotr erklären, warum er wieder nur mit leeren Händen nach Hause kam? Eigentlich hatte er vorgehabt, Fräulein Billa einen Besuch abzustatten und Piotrs guter Laune mit reichlich Bier, Brot und Schinken beizukommen. Am besten, so entschied er, trat er Piotr gar nicht erst unter die Augen, sondern fuhr geradewegs zum
Blue Notes
. Czerny hatte ihn gebeten, am Abend dort einzuspringen, ein Kollege hatte sich beim Zuschlagen einer Toyotatür die Finger gebrochen, der arme Kerl. Czerny würde ihm gewiss ein gutes Nachtessen verschaffen und mit Glück sogar einen Vorschuss.
    Der schwarze Barkeeper schien zum Inventar zu gehören, er war schon da, wenn Wolfgang vor der Zeit auftauchte,erinnerte jeden Stammgast und blieb, bis der Letzte fort war. Offensichtlich kannte er keinen freien Tag, und Wolfgang hätte sich nicht gewundert, wenn er auf einer Matratze unter dem Tresen gewohnt hätte. Auch heute kam er, auf Wolfgangs Klopfen hin, zu der großen Glastür und sperrte auf.
    »So zeitig schon?«
    »Ich war justament in der Nähe und dachte mir, warum nicht ehender hingeeilet und dem besten Czerny etwas Gesellschaft geleistet? Also könnt ich dermalen schon etwas spielen, wenn’s dir nicht zum Missfallen ist.«
    »Na, mir bestimmt nicht, ich freu mich dran.«
    Mit leichterem Herzen nahm Wolfgang auf dem Klavierstuhl Platz. Dass er ihn heute nicht heraufzuschrauben brauchte, tat ihm auf eine sehnsuchtsvolle Weise wohl und ließ ihn beruhigt seine Hände über die Tasten führen.
    Im
Blue Notes
zu spielen war wie ein Waldspaziergang, erholsam und belebend zugleich. Denn letztlich tat Wolfgang dort nichts anderes, als irgendein Thema, das er irgendwann komponiert hatte, in irgendeiner Weise zu variieren und frei dahinzuspielen, währenddessen er die Zeit nutzte, um tief in seinem Innern, ganz andere, neue und immer kühnere Kompositionen zu ersinnen. »Gear beitet wird im Hinterzimmer«, hatte er es Constanze einmal erklärt und an seinen Kopf getippt, »derweil der Musikus in der guten Stube vorn recht brav seine Concerten abhält.«
    Die Worte des Verlegers klangen in ihm nach, als hätte Singlinger ihm endlich die lang ersehnte Erlaubnis erteilt, all jene Türen aufzustoßen, die er nie zu öffnen gewagt hatte und hinter denen, das wusste er, seit er ein kleiner Junge gewesen war, ganze Welten an Klängen sich verbargen. Derart versunken, bemerkte er Adrian erst, als der ihm auf die Schulter klopfte und fragend auf seinen Bass deutete. Wolfgang nahm ihn erfreut ein paar Takte lang zurSeite und öffnete ihm dann eine kleine Kadenz. Sie spielten gemeinsam weiter, bis der Geruch nach Gebratenem Wolfgang an seinen Hunger erinnerte und er mit Adrian zum Tresen ging.
    »Sag bloß, das war wieder alles von dir?« In Adrians Blick lag Zweifel.
    Wolfgang lachte. »Je nu, ein bisserl was vom alten Mozart war wohl auch dabei!«
    »Du bist echt ein Phänomen. Was du gestern gespielt hast, das war übrigens irrsinnig schön.«
    »Hm, gestern, ich sollte mich entsinnen …«
    »Na das hm, dammm-di da, dabidda di dadamm…«
    »Ah, ja, gewiss, das hätt ich bald vergessen.« Er schickte einen dankbaren Blick zu Czerny, der einen Teller vor ihm abstellte, griff nach seiner Gabel und begann, dampfende Serviettenknödel zu zerpflücken.
    »Das solltest du aber aufschreiben, Mann, das war dermaßen gut!«
    »Recht hast du, mein Freund, man sollt halt ein Papier haben, es geschwind zu notieren. Indes, es ist gewiss leichter erdacht denn aufgeschrieben.«
    Adrian ging

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