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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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und wie sie vielleicht heißen mochten: Alles, auch das geringste Lachen eines Frauenzimmers aus der Ferne, wuchs zu einem großen Ganzen zusammen, zu einer Sinfonie, und klang in ihm fort, pulsierte gleichsam, stets dem atemlosen Rhythmus dieses neuen Zeitalters folgend. Zum Bersten angefüllt mit Klängen, sank er in einen der Sessel, die, der ersten Frühlingssonne huldigend, vor einem Kaffeehaus aufgebaut waren. Nichts, außer vielleicht der Rausch der Liebe, kam diesem Zustand gleich, da alles in ihm und alles um ihn zu Tönen wurde, Tönen, die in ihn drangen und aus ihm kamen wie aus einer Quelle. Ja, er selbst war die Quelle. Er war Musik. Das war sein Innerstes, dazu war er gemacht, und nur damit würde er glücklich sein.
    Rasch rollte er seine Notenhefte auseinander, rief der Kellnerin seine Wünsche zu und begann zu schreiben.
    Nur für einen winzigen sehnsuchtsvollen Moment hielt er inne, gedachte der Liebe und spürte ein Brennen, doch dann wandte er sich schnell wieder seiner Arbeit zu.
    Er schrieb den ganzen Vormittag, fest in seine Jacke gewickelt, orderte heißen Wein und verzog sich erst ins Innere des Kaffeehauses, als es am frühen Nachmittag zu regnen begann. Angeregt von den Küchendüften, bestellte er einen Mittagstisch und lehnte sich zufrieden in die Polster. Drei Hefte waren vollgeschrieben bis zum Rand, hie und da hatte er noch Linien hinzuzeichnen müssen, wo der Platz nicht reichte. Sobald der Regen nachließ, würde er ein neues Heft kaufen.
    Sein Blick verlor sich an die Menschen, die, teils auf der Suche nach einer Verabredung, teils mit dem gezügelten Blick der Einsamen, das Kaffeehaus betraten und verließen. Als eine aufsehenerregend elegante Dame seinen Tisch passierte, stellte er fest, dass die blauen Hosen, die jedermann zu tragen schien, durchaus nicht nur als legere Tageskleidung taugten. Wie eine zweite Haut passte sich der Stoff ihrem appetitlichen Hinterteil an, so dass sein Blick wie eine Hand darübergleiten durfte, und doch hätte niemand behaupten können, sie sei nackt. Noch während seiner ersten Tage in dieser neuen Welt hatte ihn beim Anblick einer solchen Hinterpartie Entrüstung überkommen, nun, da ihn entblößte Beine und wie in Wursthaut eingepackte Unterleiber nicht mehr wundern mussten, begann er Lust daran zu haben und kannte sich mit sich selbst nicht mehr aus. Im Schutz des Kaffeehaustisches spürte er mit der Hand an sich hinab, die Seite entlang, bis zu den Hüften. Um die Mitte herum fühlte sich sein Fleisch noch weich an, wölbte sich über den Bund seiner Hose, doch das war kein Vergleich zu dem aufgedunsenen Körper, in dem er im vergangenen Jahr, im vergangenen Leben noch gesteckt hatte. Schwammig und kraftlos war alles an ihm gewesen, es musste eine Folge der Krankheit gewesen sein, die ihn seinerzeit dahingerafft hatte.
    Jedenfalls hatte er in den Tagen nach seiner Ankunft – im Geiste nannte er es zuweilen Auferstehung und schämtesich für einen solch ketzerischen Gedanken – übermäßig Wasser lassen müssen und allmählich wieder Konturen angenommen. Wie ihn wohl eine solche blaue Hose kleidete? Er erinnerte Adrians Worte und dessen mokanten Blick, der seinem Granatanzug gegolten hatte. Adrian, Czerny, Piotr, ja selbst der lange Saxophonist, den die Frauen offensichtlich umschwärmten – sie alle trugen blaue Hosen. Kurz entschlossen sprang Wolfgang auf, zahlte am Tresen und verließ das Kaffeehaus. Er lief den Graben auf und ab, in ein paar Seitengassen hinein und betrachtete die Auslagen der Bekleidungsgeschäfte und die Menschen, die hineingingen und herauskamen, und entschied sich für eines, das aussah, als kauften sowohl die Dunkle als auch der Lulatsch hier ein. Tatsächlich stapelten sich dort Unmengen blauer Hosen auf Tischen, Wolfgang erfuhr, dass sie Jeans genannt wurden und in zahlreichen Varianten existierten, probierte stundenlang und fand doch keine, die nicht wenigstens eine Handbreit zu lang war.
    »Abschneiden«, meinte schulterzuckend einer der Verkäufer, ein junger Mann mit stacheligem Haar und einem Ring im Ohr. »Wann’s ausfranst, schaut’s umso lässiger aus.«
     
    Als er am frühen Abend das
Blue Notes
betrat, fühlten sich die Innenseiten seiner Oberschenkel bereits wund an von dem ungewohnt harten Stoff.
    Derart aufgeraut, überkam ihn Lust, die harmonische Welt auf den Kopf zu stellen, wie er es auch am Morgen schon auf dem Papier getan hatte. Er jagte ein paar Kinderlieder durch alle Tonarten, variierte

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