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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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Sinfonien, also, hm, das ist ja eigentlich ein Thema, das schon so viele bearbeitet haben für ihre Abschlussarbeit und na ja, also mir ist da noch was anderes eingefallen, was ich viel lieber machen würde.« Er hob seine Mappe auf den Schoß und begann, packenweise Papier auf dem Schreibtisch zu verteilen.
    »Sie wollen das Thema wechseln? Das kommt aber reichlich spät.«
    »Also«, erklärte Gernot unbeirrt, »es geht um Mozarts
Requiem

    »Mozarts
Requiem
? Du meine Güte …« Es kam gelegentlich vor, dass ein Student an einem Projekt scheiterte und es verwarf, doch was diesen mehr als kuriosen Gesinnungswandel provoziert haben mochte, wollte er gar zu gerne wissen. An fehlendem Selbstvertrauen schien dieser Gernot jedenfalls nicht mehr zu leiden. »Sind Sie sicher, dass Sie da nicht ein bisschen viel vorhaben?«
    Gernot überging den Einwand und schob ihm farbig markierte Papiere zu. »Mir ist da nämlich etwas eingefallen zu einer Neubearbeitung der fehlenden Teile, also nicht alles, aber ich hab mir mal exemplarisch drei davon vorgenommen, also, das rote hier, das ist die Süßmayr-Fassung, und das gelbe, das betrifft Skizzen, die von Mozart bekannt sind, und das grüne hier, das, also ja, das habe ich dann also daraus gemacht …«
    »Moment, jetzt mal langsam.« Der Professor schob die Papiere auseinander. Mozarts
Requiem
barg zwar unerschöpfliche Möglichkeiten für das Studium, eine Bearbeitung durch Studenten dagegen kam in seinen Augen einemSakrileg gleich. Er hätte es allenfalls solchen gestattet, die sich durch außerordentliches Talent hervortaten – zu denen Gernot aber nicht gehörte.
    »Eine Neubearbeitung. Nach welchen Kriterien denn?«
    »Na ja, es soll Mozarts eigentlicher Absicht näher kommen …«
    »Das wollen alle, Gernot. Das Problem ist nur, dass Mozart seine Absichten mit ins Grab genommen hat.« Das wollte etwas Rechtes werden, dieser Gernot war alles andere als ein begnadeter Komponist und würde als Dirigent vermutlich scheitern, aber anmaßend war er bislang nie gewesen.
    Michaelis griff nach dem obersten Blatt und überflog es, stutzte dann und las gründlicher. Las noch einmal. Nahm Blatt für Blatt und betrachtete die sorgfältig ausgeführten Stimmen, währenddessen er den Studenten auf seinem Stuhl herumrutschen hörte. Mozarts
Requiem
. Es gab weniges, das Robert Michaelis so heilig war, dem er einen Großteil seiner freien Zeit opferte und von dem er jede Note kannte. Wer hatte sich nicht alles an der Vollendung dieser Totenmesse versucht – und alle hatten sie versagt. Niemand außer Mozart selbst wäre imstande, es wirklich zu vollenden.
    Und nun lagen diese Noten vor ihm …
    Er ließ die Blätter sinken. »Das ist gut, Gernot. Das ist sogar sehr gut. Ausgezeichnet.« Er machte eine Pause, sah, wie der junge Mann errötete. »Und jetzt, mein Lieber, sagen Sie mir, wer das geschrieben hat.«
    Gernot schwieg. »Ich hab das …, also …«
    »Hören Sie auf, Gernot, wir wissen beide, dass Sie dazu in diesem Leben nicht imstande wären. Ich kann Ihnen nicht verübeln, dass Sie sich mit fremden Federn schmücken wollten, aber dass Sie glauben, mich für dämlich verkaufen zu können, das nehme ich Ihnen wohl übel.«
    Vergeblich wartete er auf eine Reaktion.
    »Hören Sie, ich werde Ihnen einen Vorschlag machen. Wir vergessen die ganze Sache, und ich helfe Ihnen, anständig mit ihrem ursprünglichen Thema durch die Prüfung zu kommen. Aber dafür verraten Sie mir jetzt, wer das geschrieben hat.«
    Gernot schwieg verbissen.
    »Gut, wie Sie wollen. Mozarts
Requiem
als Prüfungsthema – dann werden wir ja spätestens in der mündlichen Prüfung erfahren, wie Sie zu diesen … Eingebungen gekommen sind.« Wie er erwartet hatte, dauerte es keine drei Sekunden, bis der Student seinem Blick nicht mehr standhalten konnte.
    »Also? Ich höre. Wer hat das geschrieben?«
    »Ich … ich weiß es nicht.«
    »Wie bitte? Wo haben Sie das denn her, verdammt noch mal?«
    Gernot biss auf seinem Daumennagel herum. »Also, irgend so ein Verrückter hat das im Suff aufgeschrieben …«
    »Gernot! Was soll dieser Unsinn?«
    »Das ist kein Unsinn.« Gernot machte ein Gesicht, als wollte er gleich in Tränen ausbrechen. »Das hat einer liegenlassen. Nach einer Party, bei Bekannten von mir.« Er senkte den Kopf. »Ich hab’s ja selbst nicht geglaubt, aber wenn Sie die Originale sehen könnten …«
    »Dann werden Sie mir genau die zeigen. Und mir den Autor nennen. Habe ich mich klar

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