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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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der Straßenlaternen, das Gesicht zu. Sein Atem ging mit jeder Laterne schwerer, er presste seinen Schal fester an das Kinn. Vor ihnen lag das Trottoir, menschenleer, nur hie und da durch ein paar leuchtende Schilder belebt. Er zählte die Lichtkegel der Laternen, ersehnte ihren Blick und fragte sich, ob er die Kraft aufbrächte, ihr so bis zum Ende der Straße zu folgen.
    »Wohin …«
    »Chut …« Sie legte einen Zeigefinger über ihre Lippen und ging weiter bis zur nächsten Straßenecke, ohne ihn noch einmal anzusehen. Er konnte hören, wie der Saxophonkasten mit jedem Schritt gegen ihren Mantel rieb. Endlich zog sie einen Schlüssel aus der Tasche und betrat einen Hauseingang, über dem in weißen Buchstaben das Wort HOTEL leuchtete.
    Wolfgang folgte ihr durch einen Korridor, der gespenstisch grüne Schein eines Kästchens an der Wand ließ ihn nur Umrisse erkennen. Als er hinter ihr das Zimmer betrat, spürte er, dass er zitterte, schloss die Tür und lehnte sich dagegen. Bleiches Licht, das vermutlich von der leuchtenden Schrift an der Fassade rührte, drang durchs Fenster; ihre Silhouette hob sich davor ab wie ein Scherenschnitt. Wolfgang sah, wie sie ihren Mantel über einen Sessel warf und die Schuhe darunterkickte.
    Geräuschlos glitt seine Jacke zu Boden. Nur sein Atem und das Schloss des Instrumentenkastens waren zu hören. Dann, unvermittelt, schwebte ein Ton durch den Raum,sanft und raunend wie ein Lufthauch, schwoll an und verwob sich mit dem nächsten wie ein Schatten. Fasziniert starrte Wolfgang die Frau an. Sie bestand ganz aus Musik, wie sie da spielte, eine grünsilberne Melodie, so weich und sonor, dass es Wolfgang drängte, ihr entgegenzuhalten; dann wieder mit kleinen, plötzlichen Wendungen, als mache sie sich lustig über ihn. Er trat näher, der flaumweiche Boden verschluckte das Geräusch seiner Schritte. Für einen endlosen Moment stand er hinter ihr, hob die Hände und hielt doch inne, wagte nicht, sie zu berühren, sog stattdessen ihren Duft ein, beugte sich näher zu ihrem Nacken, spürte Wärme und legte dann, endlich, seine Hände auf ihre Schultern. Sie spielte fort, unbeirrt; er fühlte jeden Ton durch ihren Körper wandern, schwang mit ihr, während seine Hände sich nach vorne tasteten, ihren Ausschnitt suchend, und langsam, Knopf für Knopf, ihre Bluse öffneten. Sie trug nichts darunter, nicht einmal eine jener zarten Bruststützen, die er unlängst in dem Bekleidungsgeschäft bewundert hatte. Beinahe wehmütig streichelte er über ihre bloßen kleinen Brüste. Sie ließ jäh die Töne tiefer rutschen und lehnte sich mit einem nicht enden wollenden, tiefdunklen b zurück, dass ihr die Bluse über die Schultern glitt.
    Dann, völlig unpassend, spielte sie ein h; Wolfgang hielt inne, bis er verstand, was sie tat. Sie ließ mit nur einer Hand den Ton vibrieren, während sie mit der anderen einen Ärmel abschüttelte, wiederholte es mit der gleichen entzückenden Selbstverständlichkeit auf der linken Seite, dieses Mal tönte ein cis durch den schwarzblauen Raum. Wolfgang starrte sie an und fragte sich, ob er je wieder ein cis würde denken können, ohne dieses Bild vor sich zu sehen.
    Ich liebe dich, drängte es ihn zu flüstern, doch er senkte nur die Lippen in ihre Halsbeuge, löste die Bluse unter dem Instrumentengurt, folgte der Bewegung ihres Körpers, derBewegung ihrer Musik. Seine Hände glitten suchend ihre Taille hinab, sie krümmte sich leicht, der Ton wackelte, als kichere sie in das Instrument hinein. Für einen kurzen Moment ließ er von ihr ab, knöpfte mit zittrigen Fingern sein eigenes Hemd auf und warf es von sich, drängte seine nackte Brust gegen ihren Rücken, im Takt ihrer Töne, dann seinen Bauch, schließlich seinen Unterleib, die enge Jeans schmerzte, wo er Lust hätte fühlen wollen. Seine Hände wurden ungeduldiger, fahrig suchte er nach dem Knopf ihrer Hose, nestelte und zerrte daran herum, bis sie, wieder ein langes cis haltend, ihre Hand über die seine legte und ihm zu Hilfe kam. Endlich schob er die blaue Pelle über ihre Hüften und riss sich erleichtert selbst am Hosenknopf. Der peinigende Druck der engen Hose wich sofort einer alles einnehmenden Lust, als hätte er sich tatsächlich mehr als zwei lange Jahrhunderte nach einer Frau gesehnt. Für einen winzigen Augenblick gedachte er Constanzes, doch er schüttelte den Gedanken mit jener unwirklichen Selbstversicherung ab, dass sie längst tot und vermodert und er ihr nichts mehr schuldig war.

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