Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)
und flach. Ein bloßer Nacken und die Anmut solcher Füße – der kürzeste Rock der Welt hätte ihn nicht mehr erregen können. Auf Knien kroch er zu ihr, umfing ihren Schoß und wiegte sich mit ihr im Takt der Musik. »Weil es von der Liebe spricht, von der Liebe zu einer Frau, darum magst du es.«
Sie kauerte sich neben ihm nieder, zog ein paar der herumliegenden Kissen heran und zündete die Kerzen wieder an.
»Wer weiß, wovon es erzählt, das ist doch schon uralt. Vielleicht spricht es von etwas vollkommen anderem, von, von …«
»Spinnengetier!« Er ließ seine gekrümmten Finger ihren Hals entlangkrabbeln.
»Okay, du hast gewonnen. Also doch von der Liebe.« Sie angelte nach dem Siemens, das kein Telefon war. »Ich will’s noch mal hören. Das ist so schön. Ich hätte nie geglaubt, dass ich mal so auf Mozart abfahren würde. Für mich war das immer irgendwie … hm, alter Kram.«
»Alter Kram? Oh, meine Liebe, Anju, diese Musique ist jung wie der Märzfrühling. Hör nur, gleich, da, jetzt spann ich den Bogen zum nächsten Thema, daram, dalalam, das ist kühn, das will heute einer wagen!«
Statt einer Antwort schmiegte sie sich fester in seinen Arm, roch an seiner Halsbeuge, und eng umschlungen blieben sie am Boden liegen, tranken Wein und Töne, bis die CD mit einem leisen Schaben anhielt. »Meine Liebe Anju. Nie zuvor vermochte ich mit einer Frau so innig eine Musique zu hören. Ich danke dir.« Er küsste sie, liebte sie, brachte sie zu Bett wie ein Kind, und sie schlief in seinen Armen.
Wolfgang lag wach, achtete auf ihren Atem, als könne er vergehen, nahm die Stille des Hauses und der Straße in sich auf und füllte sie mit Tönen. Die nachtblauen Schatten auf den Wänden nahmen ihn mit in eine ferne Welt,und er dachte an jenen Morgen, da er hier erwacht war, dachte an den Duft, der jetzt wie damals aus ihren Kissen stieg, und wurde ruhig wie lange nicht mehr. Zu Hause ist, woran man Erinnerungen hat, dachte er und tauchte in den Schlaf hinab.
Als er aufwachte, lag noch Dunkelheit im Raum. Er fühlte Druck auf seiner Blase, stand leise auf und schlich ins Badezimmer. Als er wiederkam, zündete er die Kerzen an und nahm an dem gläsernen Schreibtisch Platz. Noch immer lag Papier, wo er es seinerzeit gefunden hatte, und er zog Linien und schrieb, schrieb alles aus sich heraus, bis die Fanfaren der Toyotas Anjus Schlaf unruhig werden ließen, und breitete schließlich alles auf dem Bett aus.
Mit einem kleinen, kehligen gis drehte sie sich zur Seite, ihr Arm landete auf dem Papier. Er streichelte ihre Hand, lange und andächtig, spürte, dass Tränen in ihm aufsteigen wollten. Sachte küsste er ihre Augenlider, bis sie vollends erwachte.
»Statt Rosen, meine Liebe.«
Sie stützte überrascht den Oberkörper auf. »Was ist das? Musik? Von dir?« Sie griff nach einem Blatt, betrachtete es eine Weile.
»Gefällt sie dir?«
»Gefallen? Du bist süß! Das sieht schön aus, ja, aber für mich sind das kryptische Zeichen. Wahrscheinlich so, wie die indischen Schriften es für dich wären. Die sehen auch sehr schön aus, selbst wenn man sie nicht versteht. Nein, ich hab keine Ahnung, wie sich das anhört.«
»Du magst es nicht lesen können, mithin kannst du es hören.« Er begann zu summen, schlug mit einem Bleyweißstift auf die Schreibtischplatte und trommelte mit den Fingernägeln gegen ein Weinglas. »Gleichwohl hat es weitere Stimmen, man möchte seine Füße zum Pfeifen bringen.«
Noch immer das Papier in der Hand, strich sie über die Zeilen. »Das ist wunderschön.« Ihre Stimme war hauchig und weich. »Du musst es mir einmal richtig vorspielen, ich möchte so gerne wieder etwas von dir hören.« Einladend schlug sie die Bettdecke zurück.
Er zögerte, betrachtete sie stumm, obwohl er nichts anderes wollte, als bei ihr zu sein, mit ihr zu sein, in ihr zu sein. Zu Hause, dachte er, zu Hause, das ist der Mensch, nach dem dein Herz sich sehnt, der Mensch, dem dein Herz sich öffnet. Ihr fragender Blick verschwamm vor seinen Augen. Energisch grinste er, schluckte, wischte sich über die Augen und griff nach dem falschen Siemens. »Stell’s an.«
Alles wollte er ihr schenken. Seine Musik, seine Liebe, sein Leben. Er atmete tief, schob sich dann unter die purpurne Decke.
»Was ist?«
Sein Hals klopfte. Mittwoch könnte er sagen, sie küssen und lachen, und alles wäre wie zuvor. »Du wolltest etwas von mir hören, Anju, meine Liebe.«
»Ja. Und?«
Du tust es eben, dachte er. Und
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