Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr Tourette und ich

Herr Tourette und ich

Titel: Herr Tourette und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pelle Sandstrak
Vom Netzwerk:
boogie and fasten your seat belts . Sägespäne und Papier, eine Art Pfannkuchenmischung. Ich weiß nicht, woran das liegt, sondern spüre nur, dass es funktioniert, dass es mir einfach besser geht.

    Ich bleibe so lange sitzen, bis es zur nächsten Stunde klingelt. Widerwillig begebe ich mich weg, schleife die Beine hinter mir her, schlage mit dem Schläger an die Wand, werfe mich mit der einen Schulter voran gegen die Wand, »Gretzky knocked him out with that cross-checking«, jubele ich in meinem Rausch als Sportkommentator. Mitten im Rausch höre ich völlig unerwartet aus dem Nichts:

    »Eins zu null für Gretzky.«

    Ich drehe mich um. Anton sieht mich ernst an.

    »Eins zu null für Gretzky«, wiederholt er.

    Anton ist der längste und sauerste Lehrer der Schule. Er hat den Ruf, eine schräge Figur zu sein, die niemals schneller als 50 Stundenkilometer fährt, die immer die Landesmeisterschaft im Schach gewinnt und die erfolgreich die Tippgemeinschaft der Lehrer leitet.

    Ich bleibe in einer Art Schockzustand stehen. Anton sieht mich ernst an. Anton. Wieder. Er lächelt nie, aber er bringt mich dazu zu lächeln, als er wiederholt:

    »Sollte Wayne Gretzky jetzt nicht mal zum Unterricht gehen?«

    »Doch«, stottere ich und gehe die Treppe hoch. Da unterbricht er mich zum dritten Mal:

    »Vergiss den Schläger nicht, Wayne«, sagt er und wirft mir den Schläger direkt zu. Ich muss wegtauchen, um ihn nicht ins Gesicht zu kriegen. Verwirrt verschwinde ich.

    Anton taucht hier und da auf, wenn man es gerade am wenigsten erwartet. Er wird in meinem Schuldasein mehrere Male auftauchen, jedes Mal ebenso unerwartet, jedes Mal ebenso willkommen wie Gene Hackman in The Pretender , der Gentleman, der einfach nur da ist und dem größten Idioten von allen das Leben rettet.

Ich bin noch nicht fertig

    (1979, Herbst) Ich fange an, Sachen zu verlieren. Sachen, die im Kopf bleiben sollten, im Hirn, Sachen, die alle anderen haben. Ich will immer noch Walfänger werden oder Sportkommentator, aber die Lust ist nicht mehr so groß, nicht mehr so selbstverständlich. Jetzt geschieht alles so schnell, die Bremsen sind schwerfällig, fassen nicht so, wie sie sollten, die Gedanken sausen davon, und meist in die falsche Richtung.

    »Also bitte, legt mal los«, sagt die Vertretung vom Känguru.

    Der Rasenmäherdialekt von der Vertretung macht mich schläfrig – dieselbe Tonlage, derselbe Klang, derselbe Grießbrei. Ein paar Minuten später:

    Fang jetzt an, warne ich mich selbst.

    Obwohl … es riecht komisch im Raum. Salami? Salamifleisch, Lammfleisch, Pferdefleisch, Hirnfleisch. Ich sollte aufhören zu riechen, aufhören zu atmen. Zu viele Geruchsbazillen in der Nase können mich anstecken, so dass ich vom Gestank sterbe, ersticke.

    Fünf Minuten später:

    Ich sollte jetzt anfangen. Fang jetzt an.

    Obwohl … Auto auf der Straße. Was für ein Auto? Volvo, Saab, Saab 900 Turbo, Citroën?

    Vier Minuten später:

    Sollte jetzt angefangen haben. Fang jetzt an. Leg los.

    Obwohl … was tickt da hinter mir? Mach die Uhr aus. Tick tack …

    Fünf Minuten später:

    Muss anfangen.

    Jetzt leg schon los, du Idiot.

    Obwohl … Auto auf der Straße. Derselbe Volvo. Wenn es nun ein Volvo war. Könnte auch ein Saab 900 Turbo gewesen sein, oder ein Citroën oder ein Opel.

    Drei Minuten später:

    Ich fange an. Jetzt fange ich an, yes Sir .

    Citroëns sind schöne Autos. Schick. Bewegen sich wie eine Frau in einem Schwimmbecken mit zu viel Chlor, behauptet mein Onkel. Er hat einen. Einen Citroën. Er hat auch eine schöne Frau. Auch wenn ich sie noch nie habe schwimmen sehen.

    Vier Minuten später:

    Fang jetzt an, verdammt. Fang an.

    Den Citroën von meinem Onkel kann man hoch- und runterfahren. Das kann kein anderes Auto. Citroën waren die ersten mit der Hydraulik. Ich will einen haben. Einen Citroën. Oder einen Saab 900 Turbo. Oder so einen Dodge Dart, wie ihn Gene Hackman in The Pretender fährt. Einen Saab 900 Turbo oder einen Citroën und einen Californian Swimmingpool mit Chlor drin.

    Minuten später:

    Leg jetzt los. Leg los, du Idiot.

    Obwohl … um einen Citroën kaufen zu können, muss ich einen Job haben. Muss Geld verdienen. Als Walfänger oder Sportkommentator. Brauche eine Ausbildung. Also, mal ran an die Mathematik.

    Drei Minuten später:

    Fang jetzt an, du verdammter Idiot. Fang jetzt an, du Klotzkopf. Mach los, du Wunderkerzenpimmel. Du willst doch Walfänger oder Sportkommentator werden, du verdammter

Weitere Kostenlose Bücher