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Herr Tourette und ich

Herr Tourette und ich

Titel: Herr Tourette und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pelle Sandstrak
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klarkomme, und die mir die Laune verderben. Es schmerzt mich körperlich im Rücken und im Kopf und im Nacken, wenn jemand kaut oder nagt oder schmatzt. Und es provoziert mich noch mehr, wenn sie die Mohrrübe oder den Apfel oder den Stift auf mich richten, lächeln und dann weiter kauen und nagen. Eine Art, den Schmerz zu überwinden, ist, sich zu schlagen oder mit Sachen um sich zu werfen. Da fühlt es sich an, als würde das Temperament über den Schmerz siegen, ein kurzfristiges Betäubungsmittel.

    Ich bin immer noch gut in Sport, aber jetzt fangen sie auch noch an, im Sportunterricht, während der Spiele und im Umkleideraum auf kleinen Ästen zu kauen und mit der Zunge zu schnalzen. Und ich gehe augenblicklich hoch, trete um mich und schreie, bis sie mich auf den Rücken werfen und den Gürtel von meiner beigefarbenen Jacke ganz fest zuziehen. Es fällt mir schwer zu atmen, aber ich stehe trotzdem auf, mit feuchten Augen und schweißnasser Stirn. Hinterher stellen sie sich an die Treppe und warten darauf, dass ich auf dem Weg ins Schulgebäude an ihnen vorbeikomme, was ich so lange wie möglich zu vermeiden suche. Wenn ich doch dazu gezwungen bin, dann höre ich sie murmeln: Idiot, Riesenidiot, Arschlecker, Mongo. Wenn dann einer immer noch so provozierend kaut, dann geht alles wieder von vorne los: Ich schreie, wir kloppen uns, ich lande auf allen vieren, schreie und spucke. Und so immer weiter. Zwischen den Anfällen versuche ich, das Fußballspielen in den Pausen zu vermeiden. Ich bleibe mehr und mehr für mich, kommentiere Wayne Gretzky und Börje Salming, auch Ingemar Stenmark taucht immer öfter in den Gesprächen auf, und ganz oft treffen sich alle drei gleichzeitig zu einem Kaffee in Wengen oder Val Gardena.

    Wenn ich auf den Knien liege und sie versuchen, mich auf den Bauch runterzudrücken, dann kämpfe ich wie ein Löwe. Als würde ich gewinnen, wenn sie mich nicht auf den Bauch runterkriegen. Ich mag nicht auf dem Bauch liegen, da kriege ich Panik, habe Angst, in Ohnmacht zu fallen und wieder aufzuwachen, um dann doch wieder zu sterben, in meiner eigenen Kotze. Außerdem glaube ich, dass man vor Wut in Ohnmacht fallen kann. Das habe ich schon mal gelesen. Bin ganz sicher, das schon mal irgendwo gelesen zu haben. Vielleicht im Guinness Buch der Rekorde oder in der Lokalzeitung, weiß nicht mehr.

    Meine impulsiven Einfälle und Ausfälle, schlechten Entschuldigungen und mein schräges Verhalten machen mich zu Freiwild, ich bin ein Clown, eine explosive Clownbombe. Meine Schwestern halten sich auf der anderen Seite des Schulhofs auf und sehen deshalb nicht, was geschieht. Und die Lehrer erkennen offenbar nicht den Ernst der Lage. Sie glauben – was ja verständlich ist –, dass ich selbst mitmachen würde. Schließlich bin ich ja derjenige, der am lautesten ruft und lacht, während das Spiel läuft. Und sowie die Lehrer sich umdrehen, versetzen die anderen mir einen anständigen Tritt in den Hintern oder den Rücken.

    In mindestens drei von fünf solchen Schlägereien bleibe ich auf allen vieren stehen. Für mich ist das ein Sieg. Ich habe das Gefühl, kotzen zu müssen, weiß aber nicht, wie man das macht, also denke ich an Wayne Gretzky und dass er wahrscheinlich stolz wäre, wenn er mich hier auf allen vieren sähe, und nicht leblos in meiner eigenen Kotze liegend.

    Ich werde nervös. Kann nicht richtig sagen, was es ist, mehr so ein Gefühl, das immer stärker wächst und sich vor jeder neuen Schulwoche in Erinnerung bringt. Ich fange an, mich zu schämen, habe ein wenig Angst, dass die anderen, ja, auch die Mädchen, anfangen könnten, hinter mir herzurufen und mich nicht mehr anzulächeln, wie sie es bis jetzt noch tun. Und dann ist da dieses etwas seltsame Gefühl, das ich mit mir herumtrage. Als würde ich verrückt werden. Als könnte ich jeden Moment vollkommen verrückt werden, dass ich wirklich ein Mongo bin, ein seltsames Clownwesen. Wenn ich jetzt verrückt bin oder – noch schlimmer – dabei, verrückt zu werden. Ich glaube, der Weg in die Verrücktheit ist anstrengender, als sich in der Krankheit zu befinden. Ich weiß nicht richtig, wo ich mich befinde. Und dass ich es nicht weiß, könnte auch ein Zeichen dafür sein, dass ich verrückt bin. Woher soll ich wissen, dass ich es nicht bin? Vielleicht, wenn diese Gedanken hier verschwinden. Gedanken, von denen ich niemandem zu erzählen wage, denn dann würden die ja vielleicht feststellen, dass ich verrückt bin, und dann muss

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