Herr Tourette und ich
Papiere durchblättert. »Superleicht«, sagen Jesper und Jomar beim Rausgehen. Ich gehe sofort in den Flur beim Werkraum und lehne mich an die Tür, schließe die Augen und horche auf den Ventilator, der stabil und sicher und behaglich schnurrt. Ich lasse den Gedanken freien Lauf. Am nächsten Montag werden wir die Chemiearbeit zurückkriegen. Ich werde keine gute Note haben, und mit diesem Kopf auf den Schultern, ein Affenhirn mit Locken drauf, werde ich wohl nie eine anständige Arbeit zustande bringen. So sieht es aus. Und ich weiß, die einzige Methode, wie ich meinen Ruf retten kann, ist wie immer, mit jemandem etwas auf dem Kiesweg zu machen, am nächsten Wochenende während des Lachsfestivals. Wenn ich nur Line auf dem Lachsfestival küssen könnte, dann würde sich niemals wieder jemand um meine Noten scheren.
Das wäre eine Sensation, ein echter Tratschleckerbissen. Bisher hat noch niemand sie öffentlich geküsst, und sie ist erst zweimal zuvor auf dem Lachsfestival gewesen.
Line und ich tanzen den ganzen Abend zusammen. Die Lokalband Swingers spielen »Living Next Door To Alice«, aber das ist mir egal. Wir pressen unsere Körper aneinander und fangen dann an, mitten auf der Tanzfläche rumzuknutschen. Alle glotzen. Ich merke, wie das Gerücht jetzt schon das Tanzlokal verlässt und runter zum Dorf dampft, aufs Meer hinaus und hoch in den Himmel. Line und ich verlassen das Fest ganz früh. Erst drehen wir eine Runde über den Kiesweg, dann gehen wir nach Hause, zu ihr nach Hause, ihr zweites Zuhause – das Sportgeschäft. Sie hat die Schlüssel dabei. Während der Lachssaison hilft sie im Sportgeschäft aus. Wir gehen in den Keller hinunter. Sie hat kein einziges Wort gesagt, seit wir den Kiesweg verlassen haben. Im Keller gibt es eine Menge Kisten und Hocker mit allen möglichen Sportartikeln darauf. Line klappt mit Leichtigkeit ein Campingbett auf und zündet ein kleines Teelicht an, das sie in der Tasche gehabt haben muss. Sie sagt, dass ich mich auf das Campingbett setzen solle. Ich setze mich hin. Sie stellt sich direkt über mich und sieht mich ernst an. Dann kniet sie sich plötzlich hin und fängt an, mein Gesicht zu küssen, ein Kuss, der schnell in ein hitziges Knutschen übergeht. Mittendrin merke ich, dass sie ihre Hand auf meine Hose legt. Mein Freund ist schon steif wie ein Korkenzieher, das war er schon, ehe wir das Sportgeschäft betraten. Sie lässt die Hand auf dem Korkenzieher liegen, und sagt dann, ja, es sind ihre ersten Worte seit einer halben Stunde:
»Ich will deine Erektion sehen.«
»Meine …?«
»Deine Erektion. Ich will deine Erektion sehen.«
Sie fängt an, meine Hose aufzumachen, und ich helfe ihr. Sie bittet mich, mich auf den Rücken zu legen. Der Korkenzieher schießt in die Höhe, er lebt, yes Sir , Line und ich schauen ihn beide an. Dann holt sie Stift und Papier heraus.
»Ich möchte deine Erektion abmalen«, sagt sie mit leiser Stimme.
»Abmalen?«
»Ich will deine Erektion abmalen. Als Erinnerung.«
Und so fängt Line an, meine Erektion abzumalen. Sie schaut sie an, betrachtet sie, besieht sie, als würde sie für den Gemeindearzt arbeiten. Als er anfängt, zusammenzusinken, massiert sie ihn ordentlich ein paarmal, bis er wieder die Korkenzieherposition einnimmt. Sie weist darauf hin, dass sie eine Skizze anfertigt. Was ein völlig anderes Ausdrucksmittel sei als eine Zeichnung. Eine Skizze sei wie Poesie, eine Zeichnung wie ein gewöhnlicher Brief. Ich weiß nicht, was ich sagen oder tun soll, ich liege einfach nur da und schaue sie an, den Korkenzieher und die Volleybälle unter der Decke. Das machen wir eine Weile, vielleicht eine Stunde, vielleicht auch zwei. Dann tut sie etwas ganz Wunderbares – sie setzt sich auf mich, lässt die Latzhose herunter, legt meine Hände auf ihre Backpflaumenbrüste, sie zieht die Haarspangen aus dem Haar und steckt sie sich zwischen die Zähne, und dann massiert sie mich, bis der Korkenzieher mit einem poff poff poff explodiert. Das dauert ein wenig, vielleicht eine Minute, vielleicht fünf. Dann zieht sie die Latzhose wieder an. Sie wirft den Kopf schnell zurück, wie Wayne Gretzky in der Angriffszone, und platziert dann die eine Haarspange perfekt hinter dem einen Ohr. Die andere hat sie noch zwischen den Zähnen, bis die erste richtig sitzt. Dann fädelt sie die zweite Haarspange in das schwarze Haar, ebenso leicht und zauberhaft wie die erste.
Am Montag danach. Chemie.
Ich komme etwas zu spät ins
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