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Herr Tourette und ich

Herr Tourette und ich

Titel: Herr Tourette und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pelle Sandstrak
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nicht. Das soll es auch nicht sein. Es ist nicht gut, wenn es zu leicht geht. Es ist nicht leicht für dich. Jetzt gerade ist es nicht leicht. Aber du sagst ja, Junge. Du sagst ja. Die meisten sagen nein, aber du sagst immer ja. Ja führt nach vorn, nein führt rückwärts. Versprich mir, dass du immer weiter ja sagst, und dann wirst du später im Leben doppelt so viel dafür zurückbekommen. Das verspreche ich dir. Komm … darauf gebe ich dir meine Hand.«

    Ich nehme automatisch seine Hand, und er fährt fort:

    »Komm … nimm eine Halspastille.«

    Ich nehme automatisch eine Halspastille, und er fährt fort:

    »Es können nicht alle Ölingenieure oder Walfänger oder Piloten oder Bauern werden. Du hast etwas anderes in dir, Junge. Und du musst mit dem weitermachen, was du kannst. Du hast ein Herz, und du hast eine Begabung. So einfach ist das. Ich verspreche es dir.«

    Langes Schweigen. Seine Hand liegt immer noch auf meiner Schulter. Es zuckt in meinem Bauch, ein klein wenig, nicht zu viel. Und er redet weiter:

    »Zieh weg von hier, schau dir anderes an, es gibt unglaublich viele Sachen zu sehen auf der Welt, so viel, zu dem man ja sagen kann. Denn das musst du immer weiter machen. Aber werken musst du nicht, denn das kannst du nicht. Du sollst das weiter machen, was du kannst.«

    Nach ein paar Minuten Schweigen sagt er:

    »Ich habe das Match gewonnen, und du weißt ja, was der erste Preis ist, oder?«

    »Was denn?«

    »Darauf haben wir uns doch geeinigt: Wer das Match gewinnt, der bestimmt, was wir in den zwanzig Minuten nach dem Match machen.«

    »Schon …«

    »Ich habe gewonnen, also bestimme ich, und ich bestimme, dass du mit mir ins Klassenzimmer kommst und ich dir zwanzig Minuten Englischunterricht gebe.«

    »Englisch?«

    »Englisch ist deine Zukunft.«

    »Doch nicht Englisch.«

    »Ich habe gewonnen. Und zwar mit 5 : 2.«

    »Ich will nicht.«

    »Na klar … und was glaubst du, hätte Wayne Gretzky gemacht?«

    Pause.

    »Okay, Englisch.«

    Wir gehen in eines der kleineren Klassenzimmer links vom Werkraum. Anton holt einen Stuhl auf Rollen, auf den ich mich setzen soll. Er selbst setzt sich auf den kleinen Tisch, der dort steht. Er sitzt genau wie ein Hockeycoach, das eine Bein auf der Bande, das andere frei schwingend, und er saugt an einer Halspastille. Aus einem der Schränke holt er ein Schachbrett und zieht die Schachuhr auf.

    »Zwanzig Minuten ab … jetzt.«

    Anton liest den ersten Abschnitt in einem Buch. Ich soll versuchen, das, was er gelesen hat, mündlich wiederzugeben, auf Englisch. Er liest, ich wiederhole. Anton liest längere und längere Abschnitte, ich wiederhole und wiederhole. Die Worte kommen ganz natürlich, die Erinnerung wird wach, das Referat fliegt vorwärts, das Gehirn bewegt sich in die richtige Richtung, yes Sir . Ich spüre, dass ich etwas lerne. Ich weiß nicht was, sondern nur, dass etwas in den Kopf kommt und dass es nicht gefährlich oder belastend oder anstrengend oder verschwitzt ist. Ich verlasse das kleine Klassenzimmer und schüttelte Antons Hand, der die Treppe zum Lehrerzimmer hinauf verschwindet. Eine Weile bleibe ich noch stehen, vielleicht eine Minute. Vielleicht zehn. Was ist geschehen?

    Wir haben ein paarmal in der Woche Werken. Das bedeutet eine Stunde zusätzlichen Englischunterricht. Erst spielen wir Geldbeutelhockey, dann haben wir Englisch, ganz gleich, wer das Match gewonnen hat. Aber jetzt gewinne ich plötzlich wie von selbst. Wir lesen Zeitungen und Bücher und wechseln ab mit reinem Grammatikunterricht direkt aus dem Englischbuch. Ich merke, wie ich besser werde, ich spüre es wirklich im Körper. Es fühlt sich so verdammt schön an, zu wachsen. Diese Art von heimlichem Unterricht gibt mir Anton auch in Mathematik. Nicht so oft, vielleicht einmal in der Woche, vielleicht dreimal im Monat, je nachdem.

Mit Anton im Zimmer

    Reißzwecken auf Stühlen – das kennen die meisten. Entweder ist man derjenige, der den Reißzwecken platziert, oder man ist der, der sich daraufsetzt. Und es ist immer lustig, wenn sich jemand draufsetzt, vor allem, wenn ein Lehrer in die Falle geht. Viele von uns in der Klasse versuchen das, und ich auch. Aber nicht so oft und so elegant wie die anderen. Ich ziehe es vor, den Reißzwecken auf dem Stuhl zu platzieren, wenn der Lehrer zusieht.

    Der Lehrer bittet jemanden, freiwillig an die Tafel zu kommen. Ich gehe. Ich fange an zu zeichnen und mache das, wozu der Lehrer mich auffordert. Wenn der Lehrer dann

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