Herrchenglück: Vom Chaos auf acht Pfoten
Perspektive von oben geknipst, damit bloß keinem auffällt, dass er mit acht Monaten schon achtundsechzig Zentimeter misst.
Dafür haben wir Termine mit Janosch, Flip, Harpo und Kuno.
Wenn man einen Riesenschnauzer zu heiß föhnt, sodass er auf Pudelgröße zusammenschnurrt, sein struppiges Fell mit Seide vertauscht, den Kopf mit dem vorwitzigen Bart und den Knopfaugen aber dranlässt, dann erhält man so etwas Ähnliches wie Janosch.
Janosch ist gebürtiger Ungar. Er hat sich in seiner Budapester Familie dermaßen danebenbenommen, dass ihn die entnervte Mutter gar nicht erst ins Tierheim gebracht oder an die Raststätte geknotet, sondern höchstpersönlich in der Tötungsstation abgegeben hat. Dort wurde er im letzten Moment gerettet und nach Deutschland verbracht.
Nicht faul, hat er in Wuppertal und in Ratingen je eine Pflegefamilie zerrüttet, bevor er wieder im Tierheim landete. Dieser Lebenslauf ist die perfekte Empfehlung für einen Krawallmaushaushalt.
Als wir Janosch entdecken, linst er unschuldig von der Website herunter.
Als wir ins Tierheim kommen, ist er weg!
In diesem Zusammenhang schließen wir zum ersten Mal Bekanntschaft mit den berühmten Tierheimkarteikärtchen. Für jeden, der ernsthaftes Interesse an einem Kandidaten zeigt, wird eine Karte angelegt. Darauf stehen Name, Adresse, Tele fonnummer und die Daten aller Besuche. Das Kärtchen steckt im Fach des jeweiligen Hundes. Jeder Pfleger kann sofort sehen, welcher Mensch gerade welchen Hund kennen und lieben lernt.
Kein Hund hat zwei Kärtchen im Fach. So kommen sich die Interessenten nicht ins Gehege, und es ist garantiert, dass der Lieblingshund in der Kennenlernphase nicht plötzlich nach Timbuktu vermittelt wird.
Ein ganz vorzügliches System, das in der Regel nur dann nicht funktioniert, wenn die linke Hand nicht weiß, dass die rechte schon ein Kärtchen ausgestellt hat. In unserem Fall steckt die Linke unser Janoschkärtchen auch nicht ins Janosch fach, wo ihr ein bereits existierendes Janoschkärtchen aufgefallen wäre, sondern versehentlich links daneben ins leere Janafach.
Pech für uns, Glück für Janosch. Wir erfahren, dass Janosch bei einem Kriminalhauptkommissar im Ruhestand, der sich mit schweren Jungs auskennt, bereits ein neues Zuhause gefunden hat. Die irrtümlich uns zugewiesene Jana hilft über diesen Verlust leider nicht hinweg. Sie ist das genaue Gegenteil eines niedlichen, krawallmausverträglichen Klein hundes.
Bei Jana handelt es sich um einen Kangal, der genau des wegen im Tierheim sitzt, weswegen die meisten Kangals in Tierheimen sitzen: kompromisslose Verteidigung der eigenen Familie gegen unverschämt klingelnde Schornsteinfeger, Erbtanten und Besucherkinder unter Zuhilfenahme von siebzig Kilo Lebendgewicht und einem martialischen Gebiss.
Flip, einen zwanzig Zentimeter niedrigen, quirligen Halbdackel, entdecken wir auf der Notfallwebsite eines befreundeten Krause. Flips junge Besitzerin reagiert allergisch auf den kleinen Kerl. Ein Jahr lang wundert sie sich, warum ihr die Augen tränen. Die Beschwerden verschwinden erst, als sie ins Austauschjahr nach Australien fährt und fliplos den Tag verbringt. Derweil ist Flip bei ihren Eltern gelandet, was denen aber gar nicht gelegen kommt. Sie schnuppern den Duft der großen, weiten Welt. Alle Kinder sind aus dem Haus, jetzt könnten sie endlich unbeschwert reisen, wenn ihre Jüngste ihnen nicht Flip ans Bein gebunden hätte.
Die Mutter hadert noch etwas, immerhin ist Flip zuckersüß. Der Vater jedoch fährt eine völlig klare Linie: Zucker hin oder her, der Knabe muss weg.
Das erste Date mit Flip hat Luna am Jaberg. In diesem Hundeauslaufgebiet zwischen Hilden und Haan sind wir seit Ewigkeiten nicht mehr gewesen. Kurz nach der Pubertät hat Luna beschlossen, dass Begegnungen mit Artgenossen nicht der Traum ihres Lebens sind, sondern das Trauma. Seither machen wir uns in Freilaufzonen rar.
Eine gute Entscheidung, wie das Flip-Date mal wieder beweist. Innerhalb von dreißig Minuten treffen wir fünfzig Hunde. Von diesen fünfzig Hunden sind fünfzig nicht abrufbar.
Nun ist es natürlich in höchstem Maße unfair, den Jaberg mit einem angeleinten Hund zu beglücken. Wer dort Gassi geht, hat einen verträglichen Vierbeiner. Er parkt sein Auto, marschiert zum Eingang, leint sofort ab, läuft einen Kilometer um eine Hundewiese herum und spaziert anschließend durch den Wald. Alle haben sich lieb. Jeder macht, was er will. Jaberghunde nehmen täglich dutzendfach
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