Herrchenjahre
Krause?
Krause ist Hundetrainer, Hundeschuleinhaber, Hundeforumsposter, Hundelehrbuchschreiber, Hundewiesenrandratgeber, Hundezüchter, Hundeversteher, Hundepensionsleiter,
Hundevereinsfigurant, Hundeservicegassigeher, Hundetierarzt, Hundefachzeitschriftenredakteur, Früherauchhundegehabthaber, Hundefutterverkäufer, Hundephysiotherapeut, Hundenaturheilkundler, kurz: der Prototyp des Hundeahnunghabers, der es einfach nicht lassen kann, mit Hundeerziehungstipps um sich zu werfen.
In einem durchschnittlichen Hundehalterleben begegnet man etwa dreihundertsiebenundfünfzig Krauses. Sie überschütten einen gefragt und ungefragt mit Gutgemeintem. Sie wissen alles, und sie wissen alles besser. Ich kann mir ihre Namen nicht merken. Ich nenne sie alle Krause. Der Einfachheit halber.
Dummerweise behauptet jeder Krause das Gegenteil vom anderen. Ich frage vier Krauses und erhalte acht Meinungen. Frage ich daraufhin vier weitere Krauses, erhalte ich erneut acht Meinungen. Selbstverständlich acht andere. Das liegt daran, dass ein einziger Krause ohne weiteres zwei oder sogar drei gegensätzliche Ansichten vertreten kann. Gleichzeitig, versteht sich. Das hängt in der Regel von so wichtigen Faktoren ab, etwa, ob der aktuelle Stand der Canidenverhaltensforschung noch wolfsrudelorientiert ist oder schon nicht mehr, oder ob im Sitz -Lernmonat der Mars im achten Haus steht.
All das macht einen naiven Krawallmausbesitzer wie mich nicht sicherer, sondern wackeliger. Prompt tritt die wichtigste Regel der Hundeerziehung in Kraft: Wackelt der Halter, wackelt der Hund.
Keine Sorge, aus diesem Dilemma gibt es keinen Ausweg.
Allein die simple Frage, wie man seinem Hund am besten Bei-Fuß -Gehen vermittelt, setzt eine Theorielawine in Gang, die nicht mehr zu stoppen ist. Ich bin sicher, ein philosophischer Diskurs über das Sein an sich kommt mit weniger Ansätzen aus als das Fuß -Problem. Schlussendlich geht es
auch gar nicht um Fuß oder Nicht- Fuß . Es geht um Weltanschauungen.
Damit werde ich locker ein ganzes Jahr verbringen.
Unter einer fahlen Wintersonne wird mir Krause eins unverdrossen die Leine mitsamt Hund aus der Hand nehmen und munter drauflos demonstrieren: »Die Leine kommt in die rechte Hand, das Leckerchen in die linke, so kannst du den Hund mit links optimal am Knie führen und mit rechts korrigierend eingreifen.«
Wenige Wochen später wird ein zweiter Krause im zarten Frühlingslicht dieses Vorgehen vehement ablehnen und beim geführten Hundelernspaziergang maulen: »Leckerchen links ist Quatsch, da führst du den Kopf des Hundes viel zu schnell vom Körper weg. Also beides, Leckerchen und Leine, gefälligst in die rechte Hand, nur so kriegst du den Hund dazu, dass er am Knie bleibt und dir dabei ins Gesicht schaut.«
Krause drei wird meine Links-Rechts-Bemühungen unter sengender Sommersonne beobachten und sülzen: »Ins Gesicht schauen ist so überflüssig wie ein Kropf, außerdem erziehen wir heutzutage nicht mit Leckerchen, sondern mit Spielis. Wenn der Hund also scharf auf einen Ball ist, dann locke und führe ihn mit dem Ball.«
Krause vier wird die sommerliche Lehrstunde am Wiesenrand verfolgen und mich später verschwörerisch beiseite nehmen: »Bloß keinen Ball, da machst du einen Balljunkie aus deinem Hund, und wieso willst du überhaupt den Kopf so nah am Knie haben? Diese Präzision fördert Kadavergehorsam und ist Unfug, locker in der Nähe laufen reicht völlig aus.«
Zeit wird vergehen, korrektes Fuß wird sich nicht einstellen. Wir werden inmitten leuchtender Herbstfarben durch die Wälder spazieren und Krause fünf schnarren hören:
»Natürlich muss der ans Knie, sonst kannst du ihn nicht in der ersten Sekunde spüren lassen, dass er sich daneben benimmt: Also merk dir, sobald der Hund in die Leine läuft, ob absichtlich oder gedankenlos, das ist ganz egal, sofort radikaler Leinenruck und verbale Korrektur.«
In atmungsaktiven Funktionstextilien werde ich im prasselnden Novemberregen stehen und dem leisen Stimmchen von Krause sechs lauschen, der orakelt: »Leinenruck ist Tierquälerei, und Fehler werden ausschließlich nonverbal korrigiert. Wenn du also deinen Hund immer belohnst, wenn er etwas gut macht, dann wird er automatisch spüren, dass er einen Fehler gemacht hat, wenn du ihn auf einmal nicht mehr belohnst, verstehst du?«
Nein.
Abends in der warmen Stube werde ich durch Internetforen stöbern und auf die warmen Worte von Krause sieben stoßen: »Ihr müsst partnerschaftlich mit
Weitere Kostenlose Bücher