Herrchenjahre
Damit Luna sich darin zurechtfinden kann, müssen klare Strukturen herrschen. Und die bestimmen eben wir Alphas.«
Stella sieht sich um.
»Hallo Rudel. Alles klar?«
Das Rudel nickt.
Dann bohrt sie weiter: »Und wir müssen einfach nur Alpha sein und dem Rudel zeigen, wo’s langgeht? Das erzieht den Hund ganz von selbst?«
»Ähm«, druckse ich herum, »irgendwie, pfff, ja, wahrscheinlich.«
»Also doch nicht so einfach.«
»Nun ja, es könnte eben auch sein, dass es gar kein Rudel gibt. Also dass Menschen und Hunde gar keine Rudelgemeinschaft bilden können.«
»Aha, kein Rudel.«
»Nein, kein Rudel. Vielleicht.«
»Wer sagt das?«
»Krause, vier.«
»???«
»Mehr als vier Krauses habe ich nicht gefragt. Ehrlich!« Ob Rudel oder nicht, wir beschließen, das Ding mit dem
Alpha einfach auszuprobieren. Ich denke mir, der gemeinsame Nenner aller Krauses scheint wohl die Konsequenz zu sein. Am besten in Verbindung mit liebevollem Zuckerbrotdurchgreifen. Oder so etwas Ähnlichem. Das wird ja wohl noch hinzukriegen sein.
»Nenn mich Boss, Baby.«
Mit diesen wohlgesetzten Worten beginnt eine Phase unseres Zusammenlebens, die als der große Scheff-Schlamassel in die Krawallmaustagebücher eingehen wird.
Der Scheff-Schlamassel
In dem ein Mensch alle möglichen
Rudeltheorien verinnerlicht und ein verblüffter Hund
dabei zuguckt, wie sein Halter so hirnrissige Dinge
veranstaltet wie als Erster durch Türen drängeln oder
ekliges Zeug aus dem Hundenapf fressen oder verlangen,
dass man Boss zu ihm sagt.
Lächerlich machen leichtgemacht
Die Sonne scheint einmal quer durch die Küche. In den Strahlen tanzt Staub, den man sonst nicht sieht. Ich stehe neben dem Herd und starre mit gemischten Gefühlen auf den braunen Futterhaufen im Hundenapf auf der Arbeitsplatte. Soll ich wirklich? Das ist doch albern. Luna sitzt wie hypnotisiert zu meinen Füßen und produziert lange Sabberfäden. Immerhin ist es in dem Hundebuch ganz plausibel erklärt, rede ich mir ein, und unser Scheff-Krause scheint ja auch noch alle Sinne beisammen gehabt zu haben, als er gestern im Kurs in das gleiche Horn tutete.
Also los jetzt. Es sieht ja keiner.
Ich nehme allen Mut zusammen und …
»Ihhh, der Papa frisst Hundefutter!!!«
Manchmal ist es wirklich ein Segen, dass wir abgelegen wohnen. Sämtliche Schwachsinnigkeiten bleiben diskret in der Familie. Unser kleines Fachwerkhaus stammt aus dem Jahre 1865 und liegt am äußersten Rand der Stadt. Freier Blick auf die Felder, viertausend Quadratmeter Garten, zwei Kaninchen, zwei Schafe, netter Zaun drum herum, fertig ist die Einsiedelei.
Zum nächsten Nachbarn sind es fünfzig Meter, zum übernächsten schon zweihundert. Keiner reckt den Hals über den Zaun, spioniert neugierig durchs Küchenfenster oder linst durch eine der beiden Küchentüren, die in den
Garten führen. Zumindest kein Fremder. Die eigene Brut schon.
So kommt es, dass Marie ihren Vater dabei erwischt, wie er beherzt in den Hundenapf greift und unaussprechliche Dinge in sich hineinstopft.
»Ihhh, der Papa frisst Hundefutter!!!«
»Das ist nicht einfach Hundefutter«, rette ich mich in den Klugscheißermodus. »Das sind Turkey-Kroketten Maxi mit zwanzig Prozent Pute, Muscheln, Fischöl und Trockenrübenschnitzel. Dental Care ist auch noch drin.«
»Würg!«
»Außerdem esse ich das gar nicht. Ich esse die Aldi-Kekse, die ich obendrauf gelegt habe.«
»Wieso das denn?«
»Damit Luna denkt, ich mache mich als Erster über ihr Futter her. Wer zuerst aus dem Napf frisst, ist der Scheff.«
Maries Zeigefinger beschreibt respektlos einen Kreis in Stirnnähe.
»Mehr Achtung vor dem Alter!«, blase ich mich auf. »Ich weiß schon, was ich hier tue. Ich habe bei Scheff-Krause einen Scheff-Kurs belegt.«
Scheffs gehen als Erste durch Türen, laufen an der Weggabelung voraus, schmeißen den Hund von hoch gelegenen Alpharastplätzen wie Sofa, Sessel oder Bett, verbieten Markierungspinkeln, gewinnen immer bei Zerrspielen mit dem Tau und hauen ihrem Hund umgehend eins aufs Maul, wenn er knurrt.
»Wenn Luna weisch, wer Scheff ischt«, sage ich mit vollem Mund, »musch sie schich auch nicht mehr scho aufregen, wenn schie andere Hunde trifft. Schie bleibt dann ruhig, weil sie weisch, dasch ich dasch für schie regle.«
»Und, hilft’s?«, will Marie noch wissen.
»Na ja, zumindest beim Tierarzt.«
Das ist natürlich gelogen. Auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht, als bliebe Luna im Wartezimmer des Veterinärs unter
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