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Herren der Tiefe

Herren der Tiefe

Titel: Herren der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sagte Singh.
»Er hat tapfer gekämpft und sich heftiger gewehrt als die
meisten hier. Aber am Schluß wurde er niedergerungen, genau
wie ich. Sie haben ihn mitgenommen, aber ich glaube nicht,
daß er schwer verletzt wurde.«
»Mitgenommen?« Trautman runzelte die Stirn. »Warum?«
»Er hat das Mädchen nicht losgelassen«, antwortete Singh.
»Selbst als er das Bewußtsein verlor, hat er sich noch mit aller
Macht an sie geklammert, so daß sie seinen Griff nicht lösen
konnten, nicht einmal mit Gewalt.«
»Dann stellt sich nur noch die Frage, warum sie Sarah mitgenommen haben«, sagte Ben. »Ich meine: Haben sie sonst noch
jemanden entführt?«
»Außer dem Mädchen?« Singh dachte einen Moment nach,
dann schüttelte er zögernd den Kopf. »Ich bin nicht sicher,
aber ich habe jedenfalls nichts gesehen.«
»Das ist seltsam«, sagte Juan. »Wenn sie gekommen sind,
um ihren Mann zu befreien, warum haben sie dann das Mädchen mitgenommen? Und niemanden außer ihr?«
Weil sie Sarah verwechselt haben, sagte eine leise Stimme in
Mikes Kopf.
Mike fuhr erschrocken zusammen. Er hörte ein Geräusch
hinter sich und drehte sich herum. Nach einigen Sekunden gelang es ihm, mehr als nur die dunklen Schatten jenseits des
steinernen Reliefs zu erkennen. Etwas bewegte sich darin.
»Astaroth?« fragte er laut. »Bist du das?«
Kennst du noch jemanden, der so dumm wäre, nach allem, was
passiert ist, immer noch zu euch zu halten? fuhr die lautlose
Stimme fort. Zugleich trat Astaroth mit gemessenen Schritten
aus dem Schatten hervor. Mikes Augen weiteten sich erstaunt,
als er sah, daß der Kater nicht allein war. Die kleine schwarzweiße Katze begleitete ihn, und nicht nur das – sie strich mit
freundlich aufgestelltem Schwanz um ihn herum, rieb
ihren
Kopf an seiner Flanke und seinem Hals und schnurrte dabei
lautstark. Astaroth ließ diese entwürdigende Behandlung ohne
irgendein äußeres Anzeichen von Unruhe über sich ergehen,
aber seine lautlose Stimme fuhr fort:
Ein einziger falscher Gedanke, und ich kratze dir die Augen aus.
Mike unterdrückte im letzten Moment ein spöttisches
Lächeln, und es gelang ihm sogar, die entsprechenden Gedanken
zu unterdrücken, wenn auch nur mit äußerster Mühe.
»Wie meinst du das: Sie haben Sarah verwechselt?« fragte
er, laut, damit die anderen der Unterhaltung wenigstens teilweise folgen konnten.
So, wie ich es sage, antwortete Astaroth. Muß man denn immer
alles dreimal erklären? Menschen!
»Astaroth, bitte!« sagte Mike. »Das ist nicht der Zeitpunkt
für deine üblichen Scherze.«
Ich mache auch keine Scherze, antwortete Astaroth beleidigt. Nicht mit Zweibeinern. Ihr seid ja so schwer von Begriff – aber
bitte: Sie hatten den Auftrag, ein blondes Menschenjunges zu
holen, das zusammen mit einigen Fremden neu hier angekommen
ist. Und dank eures Freundes, der sich wie ein Verrückter gewehrt
hat, haben sie das falsche erwischt.
Mike blickte den Kater, dann das in Stein gemeißelte Ebenbild
Serenas auf dem Relief an – und plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. »Du… du meinst, sie wollten Serena?« sagte
er verblüfft. »Sie sind hergekommen, um sie zu entführen, und
sie haben Sarah mit ihr verwechselt?«
Ganz genau, antwortete der Kater. Ich habe ihre Gedanken gelesen. Vor einer Stunde hätte ich es noch nicht für möglich gehalten, aber sie sind tatsächlich noch begriffsstutziger als ihr. Sie
haben sich einfach vertan.
»Moment mal«, mischte sich Juan ein. »Verstehe ich
das
richtig? Er meint, sie hätten Serena entführen wollen und nur
aus Versehen an ihrer Stelle Sarah erwischt?«
»Ich glaube ja«, antwortete Mike. »Auch wenn es mir etwas
komisch vorkommt.«
»Aber warum nicht?« meinte Trautman. »Wenn man nicht zu
genau hinsieht, dann sieht sie ihr tatsächlich ein wenig ähnlich.
Die Fischmenschen leben auf der anderen Seite der Bucht, vergeßt das nicht. Sie kennen die Menschen nicht genau.«
»Sie können ja auch nicht wissen, wie Serena aussieht!«
warf Juan ein.
»Vielleicht doch«, murmelte Mike. Die anderen sahen ihn erstaunt an, aber er machte keine Anstalten, seine Worte zu erklären, sondern trat näher an das gewaltige Steinbildnis heran und
betrachtete es. Genau wie beim ersten Mal hatte er das Gefühl,
mehr als einem Kunstwerk gegenüberzustehen. Dieses Bild erzählte eine Geschichte – und sie war viel komplizierter und viel
älter, als er bisher angenommen hatte. Es war ein unheimliches
Gefühl – und ein sehr

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