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Herren des Wetens

Herren des Wetens

Titel: Herren des Wetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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nicht.
    »Darf?«
    Wir haben unsere Regeln, mein Gegenspieler und ich. Das Gleichgewicht zwischen uns wurde sorgfältig ausgewogen und muß erhalten bleiben. Wir erklärten uns damit einverstanden, nur durch unsere Vasallen zu handeln. Wenn ich persönlich eingreife – beispielsweise, indem ich dir direkt sage, was du tun mußt –, hat auch mein Gegenspieler das Recht zu Ähnlichem. Deshalb handeln wir beide durch das, was ihr Prophezeiungen nennt.
    »Ist das nicht etwas kompliziert?«
    Die Alternative wäre absolutes Chaos. Mein Gegenspieler und ich kennen keine Grenzen. Wenn wir einander selbst gegenübertreten, würden ganze Sonnen vernichtet.
    Garion erschauderte und schluckte schwer. »Das wußte ich
    nicht«, gestand er. Da fiel ihm etwas ein. »Darfst du mir etwas über die Zeile im Mrin-Kodex sagen – ich meine die mit dem Klecks auf einem Wort in der Mitte?«
    Das hängt davon ab, wieviel du darüber wissen willst.
    »Was ist das Wort unter dem Klecks?«
    Darunter sind mehrere Worte. Wenn du das Ganze im richtigen Licht betrachtest, müßtest du imstande sein, sie zu sehen. Was diese anderen Bücher betrifft, versuche sie auf die Weise zu lesen, die ich dir riet. Ich glaube, du wirst feststellen, daß du damit viel Zeit sparst – und du hast wahrhaftig nicht soviel Zeit zu vergeuden!
    »Was willst du damit sagen?«
    Doch die Stimme meldete sich nicht mehr.
    Die Bibliothekstür schwang auf und Ce'Nedra trat ein. Sie trug ihr Nachtgewand und einen warmen Morgenrock. »Garion«, sagte sie.
    »Kommst du denn gar nicht ins Bett?«
    »Was?« Er blickte hoch. »Oh – ja. Sofort.«
    »Wer war hier bei dir?«
    »Niemand. Wieso?«
    »Ich habe gehört, wie du mit jemandem geredet hast.«
    »Ich habe nur laut gelesen.«
    »Komm ins Bett, Garion«, sagte sie fest. »Du kannst nicht alles in der Bibliothek an einem Abend lesen!«
    »Stimmt, Liebes«, pflichtete er ihr bei.

    Bald darauf, als der Frühling bereits die unteren Wiesen an den Hängen hinter der Zitadelle streifte, traf der versprochene Brief von König Anheg ein. Sofort ging Garion mit der Abschrift der rätselhaf-ten Stelle im Mrin-Kodex in die Bibliothek, um sie mit seiner zu vergleichen. Als er sie nebeneinanderlegte, fluchte er. Anhegs Kopie hatte einen Klecks genau an der gleichen Stelle. »Ich habe es ihm doch erklärt!« rief Garion wütend. »Ich sagte ihm ausdrücklich, daß ich wissen wolle, was an dieser Stelle steht! Ich habe sie ihm sogar gezeigt!« Weiterfluchend stiefelte er hin und her und fächelte mit beiden Armen in der Luft.
    Überraschenderweise nahm Ce'Nedra die Besessenheit ihres Gemahls mit dem Mrin-Kodex gelassen hin. Natürlich galt die Haupt-aufmerksamkeit der zierlichen Königin nun ihrem kleinen Sohn, und Garion war ziemlich sicher, daß alles, was er jetzt sagte oder tat, sie nur am Rand berührte.
    Ihre Bemutterung des kleinen Prinzen Geran war gewiß übertrieben. Wenn er wach war, hielt Ce'Nedra ihn fast die ganze Zeit auf den Armen, und manchmal sogar, wenn er schlief. Glücklicherweise war Geran ein von Natur aus gutgelauntes Baby und weinte oder quengelte selten. Die ständige Aufmerksamkeit seiner Mutter, daß sie ihn an sich drückte, ihm sinnlose Worte vorplapperte und ihn immer wieder küßte, nahm er geduldig hin. Garion war jedoch der Meinung, daß sie zuviel des Guten tat. Da sie darauf beharrte, den Kleinen ständig auf den Armen zu halten, war es ihm verwehrt, selbst wenn er einmal Zeit dazu hatte. Einmal wollte er sie schon fragen, wann er es denn einmal dürfe, er hielt sich jedoch gerade noch zurück. Wirklich ungerecht empfand er Ce'Nedras Zeitgefühl.
    Jedesmal, wenn sie Geran tatsächlich einmal in die Wiege legte und Garion endlich dazu kam, ihn herauszuheben, fuhren die Hände der kleinen Königin fast wie von selbst zu den Knöpfen ihres Gewandes, und sie erklärte zufrieden, daß sie Geran jetzt an die Brust legen müsse. Garion mißgönnte seinem Sohn die Mahlzeit wahrhaftig nicht, aber das Baby sah meistens überhaupt nicht hungrig aus.
    Nach einer Weile jedoch, als er sich an die unleugbare Anwesenheit Gerans in ihrem gemeinsamen Leben gewöhnt hatte, verspürte er wieder den Ruf der dämmrigen, modrigen Bibliothek. Das Vorgehen, das die trockene Stimme ihm empfohlen hatte, erwies sich wahrhaftig als sehr zeitsparend. Nach einer kurzen Weile stellte er fest, daß er rasch Seite um Seite unwichtigen Geschreibsels überflie-gen konnte und sein Auge automatisch bei den prophetischen Stellen anhielt,

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