Herren des Wetens
voll Mitgefühl an.
»Du bist noch sehr jung und kannst bloß die eine Wirklichkeit sehen, daß man dir dein Baby genommen hat. Es gibt jedoch zwei Arten von Wirklichkeit. Garion folgt eurem Kind in dieser Wirklichkeit und ich ihm in der anderen. Wir sind alle hinter demselben her, und auf diese Weise schließen wir alle Möglichkeiten ein.«
Sie starrte ihn einen Moment stumm an, dann schlug sie plötzlich die Hände vors Gesicht und fing zu weinen an. Garion stand auf und legte die Arme um sie. »Ce'Nedra«, sagte er beruhigend. »Ce -
Nedra, es wird alles wieder gut.«
»Nichts wird wieder gut«, schluchzte sie. »Ich habe solche Angst um mein Baby, Garion. Nichts wird wieder gut.«
Auch Mandorallen erhob sich, und Tränen glänzten in seinen Augen. »So, wie ich wahrlich Euer Ritter und Beschützer bin, teuerste Ce'Nedra, schwöre ich bei meinem Leben, daß der Schurke Ulfgar keinen Sommer mehr erleben wird!«
»Damit kommen wir zur Sache«, murmelte Hettar. »Warum brechen wir nicht nach Rheon auf und nageln diesen Ulfgar an den nächsten Pfosten – mit sehr langen Nägeln.«
Anheg blickte Cho-Hag an. »Dein Sohn hat die Wirklichkeiten dieser Situation fest im Griff«, lobte er.
»Er ist die Freude meines Alters«, sagte Cho-Hag voll Stolz.
Der Streit mit Ce'Nedra begann, kaum daß sie in die königlichen Gemächer zurückgekehrt waren. Garion versuchte es zunächst mit Vernunft, dann mit Befehlen, schließlich nahm er Zuflucht zu Drohungen.
»Es ist mir völlig egal, was du sagst, Garion, ich komme nach Rheon mit!«
»Das wirst du nicht!«
»O doch!«
»Ich werde dich ins Schlafgemach sperren!«
»Und sobald du weg bist, befehle ich jemandem, mir die Tür zu öffnen – oder ich breche sie ein. Dann folge ich euch mit dem nächsten Schiff!«
»Ce'Nedra, es ist zu gefährlich!«
»Das war es in Thull Mardu ebenfalls und in Cthol Mishrak, aber ich ließ mich weder von dem einen noch vom anderen abschrecken.
Ich reise nach Rheon, Garion – entweder mit dir oder allein. Ich hole mir mein Baby zurück, und wenn ich die Stadtmauern mit eigenen Händen niederreißen muß!«
»Ce'Nedra, bitte!«
»Nein!« Sie stampfte mit dem Fuß. »Ich gehe, Garion, und nichts, was du sagst oder tust, wird mich aufhalten!«
Garion warf die Arme hoch. »Frauen!« murmelte er verzweifelnd.
Die Flotte lief im Morgengrauen des nächsten Tages aus. Sie segelte aus dem Hafen von Riva in die noch aufgewühlte See und wich den Wrackteilen aus, die der Ausläufer des Sturms angespült hatte.
Garion stand auf dem Achterdeck des Seevogels neben Barak, dessen kräftige Hände das Steuerrad fest umklammerten. »Ich dachte nicht, daß ich das je wieder tun müßte«, murmelte er düster.
»Oh, bei schwerem Seegang zu segeln ist gar nicht so schlimm.«
Barak zuckte die Schultern, während der Wind seinen roten Bart zauste.
»Das habe ich nicht gemeint. Ich dachte, daß ich nach Toraks Tod mein Leben in Frieden führen könnte.«
»Du hast Glück«, brummte Barak.
»Soll das ein Witz sein?«
»Das einzige, was Frieden einem einbringt, ist ein fetter Hintern und Schrullen im Kopf«, versicherte ihm der Riese weise. »Ich ziehe einen netten kleinen gerechten Krieg jederzeit vor.«
Als sie einige Seemeilen zurückgelegt hatten, trennte sich ein Teil der Schiffe von der Flotte, um auf geradem Kurs nach Sendarien zu segeln, mit ihnen König Fulrach, General Brendig, der Graf von Seline und Königin Layla, der man starke Beruhigungsmittel eingegeben hatte.
»Ich hoffe, Brendig erreicht Darin rechtzeitig«, sagte Anheg, der sich an die Reling lehnte. »Ich brauche diese Schiffe während der Suche!«
»Wo habt Ihr vor anzufangen?« erkundigte sich Königin Porenn.
»Der Kult hat seine Anhänger hauptsächlich an der Westküste«, erwiderte er. »Wenn Prinz Gerans Entführer sich nach Cherek begaben, dann höchstwahrscheinlich zu einem Stützpunkt des Kultes.
Ich werde entlang der Küste anfangen und mich landeinwärts vor-arbeiten.«
»Das klingt sehr vernünftig.« Sie nickte. »Verteilt Eure Truppen und durchkämmt das Gebiet.«
»Porenn«, sagte Anheg mit gequälter Miene. »Ich liebe Euch wie eine Schwester, aber bitte benutzt keine militärischen Ausdrücke, wenn Ihr mit mir redet. Es geht mir durch Mark und Bein, wenn ich eine solche Sprache aus Frauenmund höre.«
Die Durchfahrt durch die Enge von Cherek hielt sie zwei Tage auf. Obgleich Greldik und ein paar weitere Unerschütterliche bereit
– ja sogar
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