Herren des Wetens
geradewegs auf den steinernen Kai am Fuß der Stadt zu. Erst im letzten Augenblick riß er das Ruder erneut herum.
Zum Klatschen des flickenbesetzten Segels trieb das Schiff das letzte Stück dahin und berührte sanft die salzbekrusteten Steine des Kais.
»Glaubst du, jemand hat uns kommen sehen und gibt Garion Bescheid?« fragte Durnik.
»Offensichtlich.« Belgarath deutete auf das Tor, das soeben aufge-schwungen war und den Blick auf eine breite Treppe freigab. Sie führte innerhalb der hohen, dicken Mauern, die Rivas Küstenseite schützten, nach oben. Mehrere amtlich wirkende Männer kamen durch das Tor. In der Mitte dieser Gruppe schritt ein hochgewachsener junger Mann mit sandfarbenem Haar und ernstem Gesicht.
»Kommt, wir gehen zur anderen Schiffsseite«, schlug Belgarath Durnik und Botschaft vor. »Ich möchte ihn überraschen.«
»Willkommen in Riva, Kapitän Greldik.« Botschaft erkannte Garions Stimme, obgleich sie jetzt älter und selbstsicherer klang.
Greldik blinzelte anerkennend über die Reling. »Ihr seid gewachsen, Junge«, antwortete er dem König von Riva. Ein freier Mann wie Greldik hielt es fast nie für nötig, die übliche Förmlichkeit zu wahren.
»Das ist offenbar ansteckend«, erwiderte Garion trocken. »Fast jedem meines Alters ist es so ergangen.«
»Ich habe Euch Besuch mitgebracht«, erklärte ihm Greldik.
Grinsend kam Belgarath über das Deck geschritten. Durnik und Botschaft folgten ihm dichtauf.
»Großvater?« Garions Staunen war groß. »Was machst du denn hier? Und Durnik – und Botschaft?«
»Nun, eigentlich war das die Idee deiner Tante«, gestand Belgarath.
»Oh, ist sie auch hier?«
»Natürlich!« versicherte ihm Polgara ruhig und trat aus der niedrigen Achterkabine.
»Tante Pol!« rief Garion und staunte sichtlich noch mehr.
»Starr mich nicht an, Garion.« Sie schlug den Kragen ihres blauen Umhangs hoch. »Das ist unhöflich.«
»Aber warum habt ihr mir denn nicht Bescheid gegeben, daß ihr kommt? Was macht ihr hier?«
»Einen Besuch, Liebes. So was tut man manchmal.«
Als sie zu dem jungen König auf den Kai stiegen, gab es die üblichen Umarmungen, das übliche Händeschütteln und die übliche eingehende Musterung, die ganz einfach zu einem Wiedersehen gehörten. Botschaft jedoch war viel mehr an etwas anderem interessiert. Als sie den langen Aufstieg durch die graue Stadt zur Zitadelle begannen, zupfte er an Garions Ärmel. »Pferd?« fragte er.
Garion blickte ihn an. »Er ist im Stall, Botschaft. Er wird sich freuen, dich wiederzusehen.«
Botschaft lächelte und nickte.
»Redet er immer noch so?« fragte Garion Durnik. »Nur jeweils ein Wort? Ich dachte – nun…«
»Meistens spricht er völlig normal – für sein Alter«, versicherte ihm Durnik. »Aber seit wir vom Tal aufgebrochen sind, denkt er ständig an das Fohlen. Und manchmal, wenn er aufgeregt ist, fällt er in seine alte Gewohnheit zurück.«
»Aber er hört zu«, fügte Polgara hinzu, »und das ist mehr, als ich über einen anderen Jungen sagen kann, als er in seinem Alter war.«
Garion lachte. »War ich wirklich so schwierig, Tante Pol?«
»Nicht schwierig, Liebes. Du hast bloß nicht zugehört.«
Als sie vor der Zitadelle ankamen, begrüßte die rivanische Königin sie unter dem hohen Torbogen der breiten Mauer. Ce'Nedra war so schön, wie Botschaft sie in Erinnerung hatte. Ein Paar Goldkäm-me hielt ihr kupferfarbenes Haar über dem Nacken zusammen, und die Locken fielen in feuriger Pracht über den Rücken. Ihre großen grünen Augen blickten ihnen entgegen. Sie war winzig, kaum grö-
ßer als Botschaft, aber jeder Zoll eine Königin. Belgarath und Durnik umarmte sie, und Polgara hauchte sie einen Kuß auf die Wange.
Dann streckte sie Botschaft beide Hände entgegen, und er nahm sie in seine und blickte ihr in die Augen. Da war eine Barriere, eine kaum merkliche Spur Abwehr, mit der sie den Schmerz in ihrem Innern verbarg. Sie zog ihn an sich und küßte ihn. Doch selbst in dieser Geste spürte er ihre unglückliche Anspannung, deren sie sich vermutlich gar nicht mehr bewußt war. Noch einmal blickte Botschaft ihr tief in die Augen und übertrug mit seinem Blick alle Liebe, alle Hoffnung, die er für sie empfand und sein Mitgefühl. Dann, ohne zu überlegen, streckte er die Hand aus und berührte sanft ihre Wange. Ihre Augen wurden noch größer, und ihre Lippen fingen zu zittern an. Die dünne, steinerne Maske der Beherrschung begann zu zerbröckeln. Zwei dicke Tränen
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