Herren des Wetens
weich und golden, doch meines glich eher einer Pferdemähne, und ich hatte auch schon damals diese weiße Strähne.« Abwesend berührte sie mit dem Kamm die weiße Locke über der linken Stirn.
»Wie ist es zu ihr gekommen?« fragte er interessiert.
»Dein Großvater berührte mich dort, als er mich zum ersten Mal sah – als Baby. Die Locke färbte sich sofort weiß. Nun, wir sind alle auf die eine oder andere Weise gezeichnet, weißt du? Du hast ein Mal auf deiner Handfläche; ich habe die weiße Strähne; dein Groß-
vater hat ein Mal über dem Herzen. Jeder hat seines woanders, doch es bedeutet bei jedem dasselbe.«
»Was denn?«
»Daß wir sind, was wir sind, Liebes.« Sie drehte Botschaft um und betrachtete ihn mit geschürzten Lippen. Dann fuhr sie sanft durch die Locken über seinen Ohren. »Wie ich schon sagte, ich war gar nicht hübsch, als ich jung war, außerdem war ich wild und eigenwillig. Das Aldurtal ist nicht gerade der richtige Ort, ein Mädchen großzuziehen, und verschrobene alte Zauberer sind auch kein sehr guter Mutterersatz. Sie neigen dazu, einfach zu vergessen, daß man da ist. Erinnerst du dich an den riesigen alten Baum mitten im Tal?«
Garion nickte.
»Ich kletterte ihn einmal hoch und verbrachte zwei Wochen in seiner Krone, ehe meine Abwesenheit überhaupt bemerkt wurde.
Da kann ein Mädchen sich schon vernachlässigt und ungeliebt fühlen.«
»Wie hast du dann schließlich herausgefunden, daß du wirklich schön bist?«
Sie lächelte. »Das ist eine andere Geschichte, Liebes.« Sie blickte ihn nun eindringlich an. »Aber könnten wir jetzt nicht aufhören, um den heißen Brei herumzureden?«
»Was meinst du?«
»Die Sache zwischen dir und Ce'Nedra, die du in deinem Brief erwähnt hast.«
»Oh, das. Ich hätte dich nicht damit belästigen sollen, Tante Pol.
Schließlich ist es mein Problem.« Er blickte verlegen zur Seite.
»Garion«, sagte sie fest. »In unserer Familie gibt es so was wie private Probleme nicht. Ich dachte, das wüßtest du inzwischen. Al-so, was genau ist das Problem zwischen dir und Ce'Nedra?«
»Wir kommen ganz einfach nicht miteinander aus, Tante Pol«, antwortete er bedrückt. »Es gibt eben Dinge, um die ich mich unbedingt selbst kümmern muß. Sie aber will, daß ich jede Minute mit ihr verbringe – das heißt, das wollte sie. Jetzt vergehen manchmal Tage, ohne daß wir uns überhaupt sehen. Wir schlafen nicht mehr im gleichen Bett, und…« Er blickte plötzlich auf Botschaft und räusperte sich verlegen.
»So«, sagte Polgara zu Botschaft, als wäre nichts geschehen. »Ich glaube, jetzt kannst du dich sehen lassen. Wie wär's, wenn du deinen braunen Wollmantel anziehst und zu Durnik läufst? Dann könnt ihr zwei in den Marstall gehen und das Pferd besuchen.«
»Gern, Polgara.« Botschaft stand auf und ging, seinen Mantel zu holen.
»Er ist ein sehr braver kleiner Junge, nicht wahr?« sagte Garion zu Polgara.
»Meistens«, antwortete sie. »Wenn wir ihn aus dem Bach hinter dem Haus meiner Mutter heraushalten können. Aus irgendeinem Grund fühlt er sich anscheinend nicht wohl, wenn er nicht ein- oder zweimal im Monat hineinfällt.«
Botschaft küßte Polgara und trat zur Tür.
»Richte Durnik aus, daß ich gesagt habe, ihr zwei könnt euch heute vormittag vergnügen, wie ihr Lust habt.« Sie blickte Garion an.
»Ich glaube, wir werden hier noch ein paar Stunden beschäftigt sein.«
»Ist gut.« Botschaft schloß die Tür hinter sich. Nur flüchtig dachte er an das Problem, das Garion und Ce'Nedra so unglücklich machte.
Polgara hatte die Sache bereits in die Hand genommen, und Botschaft wußte, daß sie sie in Ordnung bringen würde. Das Problem selbst war eigentlich nicht sonderlich groß, aber durch die Streitig-keiten, zu denen es geführt hatte, war es auf erschreckende Weise gewachsen. Botschaft erkannte, daß das kleinste Mißverständnis manchmal schwären konnte wie eine verborgene Wunde, wenn un-
überlegte und im Ärger gesprochene Worte ohne Entschuldigung oder Vergeben blieben. Er erkannte auch, daß Garion und Ce'Nedra einander so sehr liebten, daß sie beide ganz besonders stark durch solche Worte verletzt werden konnten. Jeder hatte in ganz ungemein hohem Maß die Macht, dem anderen weh zu tun. Sobald man das beiden richtig erklärte und sie sich dessen voll bewußt waren, konnte Gras über die Sache wachsen.
Die Korridore der Zitadelle von Riva wurden von Fackeln beleuchtet, die in Eisenringen schräg von der Wand
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