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Herrengedeck

Herrengedeck

Titel: Herrengedeck
Autoren: Philip Tamm
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einfach großartig! Früher - also vor der Jahrtausendwende - bin ich fast jeden Morgen gelaufen, weil diese halbe Stunde, in der ich nichts anderes tue, als sinnlos ein Bein vor das andere zu werfen, nun einmal das Geilste überhaupt ist. Nur beim Joggen kann ein Mann wirklich noch er selbst sein.
    Das kommt daher, dass wir Männer im Grunde immer noch dieselben Wesen sind wie vor dreißigtausend Jahren. Damals sind wir über die große afrikanische Savanne gerannt, um unser Frühstück mit dem Speer zu jagen. Dass wir heute in einer Wüste aus Asphalt leben und unser Frühstück mit einem Fingerschnippen serviert bekommen, war einfach nicht vorgesehen. Vor allem nicht in unserem Kalorienhaushalt.
    Schon nach etwa einem Kilometer dämmert mir, dass ich in der afrikanischen Savanne sowieso verhungert wäre. Ich schnaufe so laut, dass jedes Gnu und jede Antilope schon
kilometerweit gewarnt gewesen wären. Und noch einmal fünfhundert Meter später frage ich mich, ob die Variante mit dem Fingerschnippen nicht doch viel angenehmer ist.
     
    6:55 Uhr: Keuche wie Darth Vader unter seiner Asthma-Haube, bin rot angelaufen wie eine Eichel unter einer Vakuum-Pussy und schwitze wie ein geborstener Staudamm. Meine Kondition ist ungefähr so gut, als hätte ich die vergangenen zwei Jahre im Koma gelegen. Werde das mit dem Joggen noch einmal überdenken. Und zwar in aller Ruhe und bei einer ausgiebigen Mahlzeit.
    Will gerade aufgeben und zu Fuß nach Hause zurückschleichen, als mich zwei Gründe in einigem Abstand vor mir abhalten: Der eine ist ungefähr einen Meter sechzig groß, schlank und hat figurbetonte Leggins an, der andere trägt altmodische Turnshorts, aus denen zwei lange, sportliche, sonnengebräunte Beine ragen.
    Auf einmal weiß ich, was ich zu tun habe. Erstens: Katja vergessen! Zweitens: Die beiden Joggerinnen einholen, sie betören und dann mit ihnen in ein Land fliegen, in dem Bigamie erlaubt ist. Drittens: Bis ans Ende meiner Tage glücklich werden.
    Jetzt weiß ich auch wieder, warum ich das mit dem Sport überhaupt mache. Nicht um fit zu werden, sondern um jemanden kennenzulernen!
    Ich erhöhe meinen Takt und ziehe schwungvoll an den Mädels vorbei, wobei ich mich um einen möglichst lockeren, entspannten Laufstil bemühe. So wie damals, zu meinen besten Zeiten.
    Gelingt mir auch ganz gut. Jedenfalls für ungefähr dreißig
Meter. Dann werde ich langsamer, als würde mich ein unsichtbares Gummiband zurückhalten, dessen Widerstand von Schritt zu Schritt zunimmt. Nach nicht einmal fünfzig Metern bleibe ich mehr oder weniger stehen, halte mir die Seiten, die sich anfühlen, als würde eine Straßengang ihre Butterflymesser an mir ausprobieren. Nach weiteren zehn Metern ist es ganz vorbei. Ich sinke auf die Knie. Und dann liege ich auch schon auf einer Wiese neben dem Joggingtrail wie eine überfahrene Wildsau und hyperventiliere. Dumm gelaufen! Und zwar im wörtlichen Sinne.
     
    7:08 Uhr: Immerhin führt mein kleiner Zusammenbruch dazu, dass ich mit den beiden Läuferinnen ins Gespräch komme. Wenn auch nicht ganz so, wie ich es mir vorgestellt habe. Das erste Mädchen (die in den Leggins) beugt sich über mich und sagt betont laut und langsam: » HALLO? KÖNNEN - SIE - MICH - HÖREN? «
    Ich schnaufe unverständlich.
    » GEHT - ES - IHNEN - GUT? «
    Ihre Freundin fügt besorgt hinzu: »Sollen wir besser einen Rettungswagen holen?«
    Ich schwitze, ich hechle und drücke mir die Hände auf die Brust. Aber ich bin nicht bereit aufzugeben. Ich sehe nach oben in die Gesichter der beiden Mädels und sage mit einem Lächeln: »Kein Problem, ich habe mich nur hingelegt, um meine Crunches zu machen. Ihr wisst schon: Bodenübungen. Sit-ups, Liegestütze, so etwas in der Richtung. Laufen ist mir zu einseitig.«
    Die Mädchen lächeln erleichtert, und die Erste sagt: »Ach so. Dann ist ja gut.«

    Und die Zweite sagt mit begeisterter Stimme: »Super Idee. Da machen wir glatt mit!«
    Daraufhin lassen sie sich neben mir auf den Boden nieder, um eine Art Sexy Sport Clip zu veranstalten. Aber mir geht’s verdammt gut dabei!
    Bin so hingerissen, dass ich glatt vergesse, meine eigenen Übungen zu machen und nur den beiden Mädels zusehe. Bis es denen zu bunt wird. Die in den Leggins fährt mich auf einmal an: »Vielleicht war das mit dem Rettungswagen wirklich überflüssig. Aber stattdessen können wir ja die Polizei rufen, du Spanner!«
    »Bodenübungen? Pah! Du brauchst bestimmt bis heute Mittag, bis du überhaupt wieder
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