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Herrengedeck

Herrengedeck

Titel: Herrengedeck
Autoren: Philip Tamm
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nicht, das schwöre ich. Was soll ich nur machen? Soll ich denn mit meinem Kind auf der Straße schlafen? Bitte helfen Sie mir.«
    Was soll ich tun? Den Ruf der deutschen Makler ein wenig aufbessern und Coleen Fernandez und ihrem Kind ein Dach über dem Kopf verschaffen? Oder das blonde Gift glücklich machen und mich selbst gleich noch dazu? Ich hasse solche Situationen.
    Ich stehe auf und sage mit getragener Stimme: »Tja, meine Damen. Sie machen es mir wirklich nicht einfach. Aber dennoch muss ich mich jetzt von einer von Ihnen beiden verabschieden.«
    Die Blicke der beiden Frauen kleben an meinen Lippen. Ach, Makler ist doch ein geiler Beruf. Weil man der Herr über Glück und Unglück ist, über menschliche Schicksale, über Lebensgeschichten. Fast wie die Jury bei DSDS.

     
    1:35 Uhr: Liege im Bett und glühe immer noch vor Stolz auf mich selbst. Muss an das Rendezvous mit der Wohnungsblondine vorhin denken. Sie hieß Patricia, und wir entschieden uns für ein italienisches Lokal der gehobenen Kategorie. Alles war perfekt. Ich saß einer Frau gegenüber, die wirklich etwas hermachte, die mir nicht unsympathisch war und die zudem davon überzeugt war, mir einen Gefallen zu schulden.
    Patricia hob ihr Proseccoglas, glimmte mich aus ihren bunt betuschten Augen an und sagte: »Ich stoße auf uns an, mein lieber Stefan. Auf unser Kennenlernen, und natürlich auf mein neues Zuhause.«
    »Auf unser Kennenlernen.«
    Unsere Gläser klirrten dezent und wir tranken einen Schluck, während unsere Blicke ineinander versanken wie die Titanic im Nordatlantik. Was dann folgte, war eine nette, lockere Konversation, die durch hervorragende Antipasti und noch bessere Spaghetti Vongole gekrönt wurde.
    Leider wusste ich nach zwei Flaschen Prosecco und mehreren Gläsern Pinot Grigio, dass Patricia doch nicht diejenige sein würde, mit der ich Katja umstimmen würde. Weil sie sich als die Sorte Frau herausstellte, bei der ich, wenn wir wirklich auf der Titanic wären, lieber selbst ins Rettungsboot steigen würde, als ihr den Platz zu überlassen. Sie würde sowieso nicht ertrinken. Denn sogar der Nordatlantik hat so etwas wie Geschmack und nimmt nicht alles, was ihm angeboten wird. Patricia entpuppte sich immer mehr als hochnäsige, kaltschnäuzige, engstirnige Zicke, mit der ich es nicht einen einzigen Tag aushalten könnte. Von vier Wochen bis zu meinem Wiedersehen mit Katja gar nicht zu reden.
    Darum machte es mir auch nichts, dass der Abend während
der Nachspeise eine unromantische Wendung nahm. Während ich eine hervorragende Crème brulée löffelte, kam Patricia noch einmal auf das Thema Wohnung zu sprechen. Sie setzte eine geschäftsmäßige Miene auf und fragte: »Sag mal, Stefan, wie machen wir das eigentlich mit dem Mietvertrag? Unterschreibe ich den bei dir? Oder muss ich mich mit dem Vermieter treffen?«
    »Mietvertrag? Wieso?«
    »Na, du weißt doch. Die Wohnung vorhin, am Barbarossaplatz!«
    Ich hob die Hände in einer Geste des Erstaunens und sagte: »Da haben wir uns wohl missverstanden, liebe Patricia. Die Wohnung bekommt die arme Kleine mit dem Kind und den Geldsorgen. Ich habe ihr vorhin schon fest zugesagt. Darum sind wir doch zusammen essen gegangen. Als Entschädigung sozusagen. Sag bloß, das hast du anders verstanden?!«
    Der letzte Prosecco des Abends landete nicht in meinem Mund, sondern auf meinem Hemd. Und ich musste auch die gesamte Rechnung bezahlen, da Patricia kommentarlos aus dem Lokal rausrauschte. Aber was soll’s. Das sind Spesen, die ich bei der Firma einreichen kann.
    Insofern bin ich froh, dass ich jetzt im Bett liege. Und zwar allein. Eine Frau zu suchen, ist eine Sache. Aber sich selbst treu zu bleiben, ist mindestens genauso wichtig.

6. Tag: Donnerstag
    8:23 Uhr: Wache auf und fühle mich krank. Sollte zum Arzt gehen, wobei ich mir schon vorstellen kann, wie das abliefe.
    »Was fehlt Ihnen denn?«, würde der Mediziner fragen.
    »Katja.«
    »Tut es sehr weh?«
    »Mmh.«
    »Wie sieht es mit der Nachtruhe aus?«
    »Tagsüber hervorragend.«
    »Stuhlgang?«
    »Läuft wie geschmiert.«
    Der Arzt würde daraufhin ein paar lateinische Fremdwörter brummeln, sich ein paar Notizen machen und mich dann gelassen und zuversichtlich ansehen. »Machen Sie sich keine Sorgen. Ich verschreibe Ihnen etwas, wonach es Ihnen sofort besser gehen wird. Katjanosan . Ist ein neues hochwirksames Mittel. Ist zwar noch unerprobt, aber der Pharmavertreter hat mir einen dreiwöchigen Karibikurlaub versprochen,
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