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Herrengedeck

Herrengedeck

Titel: Herrengedeck
Autoren: Philip Tamm
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diese Augen-OP hatte und danach eine Woche lang einen Verband tragen musste und nichts sehen konnte. In dieser Zeit habe ich mich um sie gekümmert, habe sie gefüttert, gewaschen und sogar an-und ausgezogen. Dann hatte ich diesen Autounfall und musste zwei Wochen lang mit eingegipsten Beinen auf dem Sofa liegen (sie kümmerte sich genauso rührend um mich, meinte aber, dass eigentlich alles wie immer wäre.). Oder als ihre beste Freundin Melanie sich von ihrem Mann getrennt hat, und Katja echt mies drauf war. Und, nicht zu vergessen, als ihr Kater Rambo gestorben ist … Wir haben so verdammt viel zusammen erlebt. Und solche Erfahrungen sind nicht irgendetwas.
Sie schweißen zusammen. Sie verbinden einen. Auf eine sehr tiefe Art. Ich habe einfach keine Lust, diese Strecke mit einer anderen Frau wieder von ganz vorne zu gehen. Warum auch? Es war doch gut so, wie es war.
    Das habe ich Katja gegenüber vielleicht nicht immer so gewürdigt. Aber das werde ich ändern, sobald sie wieder da ist. Versprochen.
     
    19:03 Uhr: Bin frisch geduscht und rasiert, rieche wie ein Teststreifen bei Douglas und habe das weißeste Lächeln seit Erfindung der Zahnarztfrau. Habe mir nämlich nicht nur die vorgeschriebenen drei Minuten die Zähne geputzt, sondern diesmal dauerten die drei Minuten wirklich drei Minuten.
    Stehe vor dem großen Spiegel im Flur und begutachte mich selbst. Trage meinen einzigen Sommeranzug, der mich ausgesprochen lässig erscheinen lässt, zumal er meinen Umfang geschickt kaschiert - ich gehe sozusagen bauchfrei.
    Habe also genau den richtigen Look für eine Party, auf der so viele Superfrauen herumlaufen werden, als wäre die Playboy -Mansion von Los Angeles nach Köln gebeamt worden. Inklusive Bunnys.
    Albrecht Sonnenheim, der Sohn eines altehrwürdigen Kölner Industriellen und heimlicher Partykönig der Stadt, feiert heute sein legendäres Sommerfest. Und ich, Stefan Trautmann, Immobilienmakler, unverbesserlicher Optimist und frisch gebackener Übergangssingle, besitze eine Einladung. Es kann also gar nichts mehr schiefgehen.
    Auf Albrechts Gästeliste stehe ich übrigens jedes Jahr, und zwar deshalb, weil der Juniormillionär seine luxuriöse Zweitwohnung in der Kölner Innenstadt mir verdankt. Allerdings
war die Party seit Jahren ein heftiger Streitpunkt zwischen Katja und mir. Anders als heute wollte ich nie hingehen. Ich fand das Publikum stets aufgeblasen und neureich, während Katja es für spannend und mondän hielt. Ich hatte halt keine Lust, mich mit dekadenten Bankern, New-Economy-Spaßvögeln und, ja, Immobilienhaien zu unterhalten. Katja dagegen rechnete sich Chancen aus, endlich mal auf einer der Klatschseiten in der Gala oder der Bunten aufzutauchen. Sobald wir dann dort waren, wechselten unsere Rollen. Ich amüsierte mich prächtig, während Katja vor Zorn und Neid bebte. Hatte bei uns beiden den gleichen Grund: die Bunnys. Albrecht weiß halt, wie man feiert.
     
    20:43 Uhr: Da Katjas Platz an meiner Seite zurzeit frei ist, nehme ich Andy als Begleitperson mit. Er holt mich von zu Hause ab und wir fahren zur Sonnenheim-Villa im exklusiven Kölner Stadtteil Hahnwald. Auf dem Weg dorthin führt er mir noch einmal vor Augen, was ich sowieso schon weiß: »Alter, für dich steht heute nur eines auf dem Programm: Auf der Rückfahrt werde nicht ich hier neben dir sitzen, sondern eine heiße Schnitte, die du auf der Party aufgabelst und dann geradewegs in dein Schlafzimmer beförderst. Ist das klar so weit?«
    »Glasklar.«
    Andy schenkt mir einen prüfenden Seitenblick. »Dann tue es auch. Ich will morgen Vollzug gemeldet bekommen.«
    »Werde ich. Verlass dich drauf.«
    Ich nicke ihm zackig zu, als wäre er mein Drill-Sergeant und ich ein neuer Rekrut in der US-Armee. Und dann schreie ich gut gelaunt: »Ja, Sir, ja. Ich werde eine Schnitte mit nach Hause nehmen. Sir!«

    Andy nickt zufrieden. »Siehst du. Geht doch.«
    Wir parken den Wagen ein paar Straßenzüge vor der eigentlichen Location entfernt. Ist einfach uncool, einen alten und mit Rostflecken übersäten Golf zwischen lauter Maseratis und Phaetons abzustellen.
    Wir gehen die letzten Meter darum zu Fuß. Vor dem Eingang zum Grundstück der Villa hat sich eine kleine Schlange an Gästen gebildet. Die Männer tragen Smokings und die Frauen tragen fast gar nichts, und über allem liegt ein Hauch von Chanel und großer, weiter Welt. Ein livrierter Diener mit professionell-hochnäsigem Gesichtsausdruck checkt die Einladungen, wobei ihm zwei
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