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Herrengedeck

Herrengedeck

Titel: Herrengedeck
Autoren: Philip Tamm
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AUSGESCHLOSSEN. «
    Damit dreht sie sich um und stapft davon. Ich rufe noch einmal hinter ihr her und beteuere, dass das alles gar nicht stimmen würde. Aber es ist zu spät. Sie verschwindet im Strom der Passanten. Ich winke der Kellnerin und bestelle mir ein Kölsch. In den folgenden zwei Stunden rauche ich die ganze Packung West leer.
     
    23:16 Uhr: Manöverkritik mit Andy bei mir zu Hause (nachdem er mir erst einmal ebenfalls zu meinem neuen bartlosen Look gratuliert hat). Wir sitzen vor meinem PC und er checkt mein Onlineprofil. Anschließend sieht er mich an, als müsste man mich augenblicklich in Sicherheitsverwahrung nehmen, und zwar in der Hannibal-Lecter-Stufe: Ganzkörperfessel, Fußketten und Beißschutz. »Ich würde sagen, die Verwandlung von Clark Kent in Superman ist nichts gegen die Verwandlung, die du hier durchgemacht hast, Alter.«
    »Keine Ahnung, wovon du redest, Andy. Ich habe doch
einfach nur meine positiven Seiten hervorgehoben. Das soll man im Internet so machen. Steht in den Richtlinien.«
    Tatsache ist, ich habe ein paar meiner persönlichen Daten geringfügig nach unten gerundet: mein Alter auf vierunddreißig Jahre, mein Gewicht auf vierundachtzig Kilo und meinen Taillenumfang auf zweiundneunzig.
    Zum Ausgleich habe ich bei ein paar anderen Größen etwas draufgeschlagen: bei meiner Körpergröße acht Zentimeter, bei meiner Karriere ein paar Stufen und bei der Kategorie Heiratswunsch ein Ja .
    Ansonsten bin ich voll bei der Wahrheit geblieben. Ich bin drahtig (weil die Metallklammer meines gebrochenen Schienbeines nie entfernt wurde), unternehmungslustig (essen gehen), naturliebend (grille gerne im Park), kulturbegeistert (Kino, DVD), weltgewandt (spreche fließend Kölsch) und charmant (kann nett sein, wenn ich will). Ich betreibe Motorsport (Grand Theft Auto am Computer) und Free Climbing.
    Ausgerechnet da hat Andy Probleme.
    »Free Climbing, Stefan? Findest du das nicht doch ein wenig übertrieben?«
    »Wieso denn? Ich kann den ganzen Abend an einer Theke abhängen und mich dabei mit nur zwei Fingern an einer Stange Kölsch festhalten. Das muss mir erst mal einer nachmachen.«
    Andy seufzt erschöpft. »Alles klar, Alter«, sagt er und winkt lachend ab. »Lass uns einfach in die nächste Kneipe gehen. Zum Freeclimben.«

8. Tag: Samstag
    14:56 Uhr: Liege bis nachmittags im Bett und fühle mich pudelwohl dabei. Und das, obwohl draußen ein wunderschöner Sommertag ist. Katja hat mich immer schon um meinen guten Schlaf beneidet. Sie meinte einmal, ich müsste eine angeborene Valiumdrüse im Körper haben. Um mich herum könnte die Welt in Trümmern versinken, ohne dass ich mich deswegen um den Schlaf bringen ließe. Als Beispiel diente ihr immer unser Türkei-Urlaub, der nicht gerade so ablief, wie der Katalog es versprochen hatte. Erst fiel der Shuttle-Flieger von Istanbul nach Antalya aus, dann blieb der Bus, der uns stattdessen transportieren sollte, auf der Autobahn liegen. Der versprochene Ersatz-Ersatzbus kam erst gar nicht, und unser Vorschlag, auf Taxis umzusteigen, wurde von der Reiseleitung abgelehnt. Unsere Anreise dauerte am Ende dann nicht sechs Sunden wie geplant, sondern achtundvierzig Stunden - achtundvierzig Stunden, während der Katja kein Auge zumachte. Achtundvierzig Stunden, an die ich mich kaum erinnere, weil ich mehr oder weniger die ganze Zeit schlief und darum alles nicht so schlimm fand.
    Das ist der Punkt. Die Trennung von Katja ist eben nicht gleichbedeutend mit einem Türkei-Urlaub. Ich finde sie
schlimm. Fühle mich, als wenn mir jemand mein Lieblingskopfkissen weggenommen hätte. Seitdem ist mein ganzes Leben irgendwie … unbequem.
    Mir muss niemand sagen, dass es dämlich klingt, wenn man seine Freundin mit einem Kopfkissen vergleicht. So als wenn sie nur dazu da gewesen wäre, damit ich schön weich ruhen kann. Und wenn es mal nicht weich war, reichte es, es ordentlich durchzuschütteln, bis die Federn flogen.
    Was ich eigentlich damit sagen möchte, ist, dass Katja einfach zu meinem Leben gehörte. Dass ich ein gutes Gefühl hatte. Dass die Dinge so waren, wie sie von mir aus bleiben konnten. Und das ist doch mehr als viele andere behaupten können, oder? Katja und ich haben einfach so viel Tolles miteinander erlebt. Ihre Beförderung, meinen neuen Job, der Umzug in die gemeinsame Wohnung, viele Urlaube, Partys, Abende zu zweit, Abende mit Freunden. Aber genauso gehören weniger schöne Dinge zu unserer gemeinsamen Geschichte.
    Zum Beispiel als Katja
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