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Herrengedeck

Herrengedeck

Titel: Herrengedeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Tamm
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hat. Und Ihnen würde ich jetzt gerne einen Drink besorgen.«
    Das Ganze ist jetzt wie beim Tennis, wenn der Ball für den Bruchteil einer Sekunde auf der Netzkante balanciert. Schafft er es noch rüber, habe ich gewonnen. Prallt er zurück und fällt auf meine eigene Hälfte, habe ich Satz, Spiel und Match verloren.
    Die Rothaarige will gerade zu einer Antwort ansetzen, als sich der Typ, der neben ihr steht, zu mir umdreht. Als sie vorhin meinte, dass er ihr Freund wäre, muss sie sich eindeutig vertan haben. Der Typ ist mindestens sechzig. Er bleckt seine dritten Zähne zu einem bösartigen Grinsen, schiebt sich leicht tattrig nach vorne und mustert mich, als wäre ich eine Bazille und er eine Flasche Sagrotan. Dann senkt er seine Stimme zu einem Flüstern und zischt: »Machen Sie, dass Sie wegkommen. Oder Sie sind schneller vor der Tür, als Sie Entschuldigung, es war nicht so gemeint sagen können.«
    Ich blicke ihn überrascht an. Wo bitte schön nimmt dieser wandelnde Altersfleck das Selbstbewusstsein her, mir zu drohen? Ich bin ein stämmiger, nicht ganz kleiner Mittdreißiger, den man bei Dunkelheit glatt für gefährlich halten könnte. Und er ist ein grau melierter Greis, Typ Sky Dumont, der sich nicht zwischen Alzheimer und Parkinson entscheiden kann.
    Dann aber bemerke ich, wie die Chinakleid-Frau unmerklich den Kopf schüttelt. Sie sieht mich dabei dezent, aber unverkennbar um Entschuldigung heischend an, und es ist klar, dass sie am meisten darunter leiden würde, wenn ich jetzt einen echten Streit vom Zaun breche.

    Also gut. Dann halt nicht. Außerdem sind die Zahnarztkosten, die der Typ nach einer Schlägerei mit mir berappen müsste, sogar für Millionäre eine echte Belastung geworden. Schön, ich streiche die Segel. Nächster Versuch.
     
    22:41 Uhr: Gehe einfach alleine zur Cocktailbar, wo ich den kleinen Vorfall schnell vergesse. Das liegt in erster Linie an den beiden Brasilianerinnen, die für die Zubereitung der Drinks zuständig sind. Ich schiebe mich an ein paar anderen Gästen vorbei und probiere es bei einer der Kellnerinnen wieder mit einem Klassiker: »Sag mal, wann hast du eigentlich Feierabend?«
    Die Brasilianerin sieht mich kurz und frostig an, und crusht dann ungerührt weiter ihre Eiswürfel. »Wollen Sie was trinken? Dann stellen Sie sich bitte hinten an.«
    Das ist noch keine Abfuhr, denke ich trotzig. »Ja, ich will’nen Drink. Und vielleicht stoßen Sie ja mit mir an?«
    »Ich bin hier, um zu arbeiten. Aber selbst wenn das nicht so wäre, würde ich Nein sagen.«
    Okay, das ist jetzt eine Abfuhr. Sollte aber dennoch nicht zu schnell aufgeben. Zumal sie ja noch eine Kollegin hat. Will gerade einen weiteren Versuch starten, als aus der kleinen Kammer, in der die Getränkevorräte stehen, ein Mulatte auftaucht, der wohl der Kollege der beiden ist und der die Maßstäbe auf unfaire Art verschiebt. Brasilien ist nämlich nicht nur in Sachen Frauen eine der führenden Nationen. Auch die Typen machen was her. Der hier zum Beispiel hat da, wo andere Kerle einen Oberkörper haben, eine aus dunklem Marmor gemeißelte Landschaft aus Muskeln und Sehnen. Da wo normale Kerle eine Hüfte haben, hat er eine Art
Gummizug, der sich rhythmisch zur Sambamusik im Kreis dreht. Und da wo normale Männer ein freches Grinsen tragen, hat er ein Lächeln, bei dem sogar ich angeturnt werde. Mit anderen Worten: Bei der Konkurrenz brauche ich gar nicht erst zum Wettbewerb anzutreten.
     
    22:58 Uhr: Verlasse die Bar und starte einen weiteren Versuch. Dafür suche ich mir eine gut gewachsene Blondine aus, die in einem eng geschnittenen und hoch geschlitzten Kleid steckt. Schon beim ersten Blick erkläre ich sie zu meinem persönlichen Playmate des Jahres. Gut, sie ist höchstens Anfang zwanzig und damit nicht wirklich meine Zielgruppe. Aber sie strahlt nun einmal mehr Sex aus als andere Frauen während ihres gesamten hundertjährigen Lebens. Kurz und gut, sie ist hinreißend. »Hey! Darfst du um die Uhrzeit überhaupt noch vor der Tür sein?«, spreche ich sie an.
    »Und Sie? Sie sind doch bestimmt Freigänger und müssten auch schon längst wieder zurück in Ossendorf sein, oder?«, kontert sie. Respekt. Ossendorf ist der größte Kölner Knast, und allein die Tatsache, dass sie ihn kennt, zeigt mir, dass sie reifer ist als gedacht.
    » Touché «, sage ich anerkennend. »Wie sieht’s denn aus? Hast du einen Freund?«
    »Drehen Sie sich doch mal um und überzeugen sich selbst.«
    Ich befolge ihren

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