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Herrentier

Herrentier

Titel: Herrentier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Joseph
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Außerdem war er froh, an einem Beitrag zu arbeiten, der nichts mit dem Zoo zu tun hatte. Auf dem Weg zum Bauamt hatte er mit Jürgen telefoniert. Der war jetzt in der Redaktion dabei, die Lokalseite eins und eine größere Meldungsspalte auf der Mantel-Eins für die Story freizuräumen. Also musste er sich beim Senator beeilen.
    Gregor kannte den Weg. Er fuhr mit dem Fahrstuhl in die oberste Etage. Rostocks Bausenator dürfte den besten Blick über die Stadt haben, denn der Bürobau am Holbeinplatz war das höchste Haus weit und breit, und von oben konnte man bis nach Warnemünde sehen.
    Gregor klopfte an die Tür und betrat das Vorzimmer. Die Sekretärin blickte erschreckt von ihrer Tastatur auf.
    »Ich muss ganz dringend zum Senator, Frau Papenhagen.«
    »Das geht nicht, der Herr Senator ist gerade …«
    »Lassen Sie nur«, sagte eine Stimme aus dem Nebenraum. Die Tür stand offen. Gregor sah um die Ecke. »Kommen Sie herein«, sagte Wittekindt.
    Der Senator war bleich. Er saß am Schreibtisch, ein paar aufgeschlagene Aktenordner vor sich. Erst gestern noch war er Gregor jovial und ein wenig selbstgefällig begegnet. Ein Umwelt- und Bausenator, der einen größeren Dienstwagen fuhr als der Oberbürgermeister. Gregor hatte einmal eine Glosse über das Verhältnis von der Größe der städtischen Dienstwagen zum Zustand der Radwege geschrieben und sich damit den Ärger der Stadtverwaltung eingehandelt. Allein Wittekindt hatte souverän reagiert und Gregor eine Fahrradklingel geschickt. Mit der Bemerkung »Falls mal einer unserer Dienstwagen auf dem Radweg parken sollte«.
    Jetzt war Wittekindt offenbar nicht zu Scherzen aufgelegt.
    »Ich weiß, warum Sie kommen. Ein Skandal spricht sich schnell herum«, sagte er, als Gregor eintrat. »Es ist nichts dran an den Vorwürfen. Ich habe versucht, diesen Beitrag zu verhindern, aber vergeblich. Wenigstens eine Gegendarstellung will ich denen reinwürgen.«
    »Aber dafür muss der Artikel erst einmal erscheinen«, sagte Gregor. »Außerdem wissen Sie ja, wie mit Gegendarstellungen verfahren wird.«
    »Ich weiß«, sagte Wittekindt resigniert. »Tage später kommen sie irgendwo unten auf einer völlig unbeachteten Seite mit dem Vermerk:  Wir müssen dies drucken, ob es stimmt oder nicht. «
    »Wie konnte es denn zu diesen Vorwürfen kommen, ihrer Meinung nach?«, fragte Gregor. Er fand Wittekindt nicht unsympathisch, aber er wollte sich auch nicht vereinnahmen lassen.
    Der Senator lehnte sich zurück und rieb sich die Augen. Dann sagte er laut und halb in Richtung der geöffneten Bürotür: »Offiziell bekommen Sie von mir nur dieses eine Statement: Die gegen mich erhobenen Vorwürfe sind falsch. Ende der Durchsage. Wenn ich etwas anderes lese, muss ich auch Ihnen mit einem Anwalt drohen.«
    Wittekindt stand auf und schloss die Tür zum Sekretariat. Er ließ sich wieder auf seinen Sessel fallen und sah Gregor an.
    »Ich habe keinen Schimmer, worum es hier wirklich geht. Aber es ist nichts dran an diesen Vorwürfen. Das kann ich Ihnen versichern. Jemand will mich loswerden, vermute ich. Ich habe ja leider hochrangige Mitarbeiter in meinem Haus, die mit meinem Arbeitsstil nicht einverstanden sind.«
    »Gertrud Landgräfe?«
    »Das haben jetzt Sie gesagt«, antwortete Wittekindt und lächelte matt. »Sie glauben gar nicht, was das hier für ein korrupter Sumpf ist. Jeder ist mit jedem bekannt und verwandt. Wenn Sie diese Meute erst einmal gegen sich haben, dann haben Sie verloren. Ich sage Ihnen, da wird mit allen Mitteln gekämpft. Gerade gegen solche Arbeitsexilanten wie mich. Einheimische gegen Zugereiste.«
    »Eine Frau in einer Position wie Gertrud Landgräfe kann sich doch solche Intrigen überhaupt nicht erlauben«, wandte Gregor ein.
    »Sie selbst tritt nicht in Erscheinung. Die Drecksarbeit erledigen andere. Gier macht skrupellos. Und Macht macht manchmal unvorsichtig, wie Sie jetzt bei mir sehen.« Wittekindt zog eine Schublade seines Schreibtischs auf. »Hier liegt die Kreditkarte, über die ich als Senator dienstlich verfügen kann. Der Schreibtisch ist nicht verschlossen, und das wissen die meisten hier.« Er schloss das Schubfach wieder. »Nutten. Als ob ich die nötig hätte.«
    »Könnte denn Frau Landgräfe auf Ihren Posten spekulieren?«
    »Nein, eher nicht. Es kommt ihr wohl eher darauf an, ihren eigenen noch weiter zu vergolden.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Kramen Sie in Ihrem Zeitungsarchiv«, sagte Wittekindt. »Es gab da einmal eine Anklage und eine

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