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Herrentier

Herrentier

Titel: Herrentier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Joseph
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ominöse Gerichtsverhandlung. Ist schon ein paar Jahre her.«
    »Ich erinnere mich dunkel«, sagte Gregor. »Aber verurteilt wurde Frau Landgräfe nicht.«
    »Sie wurde freigesprochen. Aus Mangel an Beweisen.«
    Wittekindt beugte sich wieder über seine Aktenordner. »Entschuldigen Sie mich jetzt bitte«, sagte er. »Sie halten mich auf. Auf meinem Weg zur Schlachtbank.«

    Gregor fühlte sich ausgelaugt, als er wieder nach Hause kam. Er war kilometerweit durch die Stadt gefahren. Das Verfassen der Beiträge für die morgige Ausgabe war anstrengend gewesen, er hatte viel Mutmaßung und nicht vorhandene Fakten zu einem möglichst gehaltreichen Inhalt kombinieren müssen. Nun stieg er müde die Treppen hinauf. Gregor hatte wenig Lust, den Streit vom Vormittag fortzusetzen. Und doch hatten sie mitten in der Auseinandersetzung aufhören müssen, und Gregor spürte jetzt wieder den Ärger über seinen Streit mit Madeleine in sich aufsteigen.
    Er schloss die Tür zur Wohnung auf. Auf dem Flur standen zwei Koffer und die beiden kleinen, prall gefüllten Kinder-Trolleys von Uta und Jutta.  Felix auf Reisen  und  Lillifee.  Unpraktisches Plastikzeug. Gregor hörte ein Rumoren im Schlafzimmer.
    Madeleine war dabei, eine weitere Reisetasche zu packen.
    »Was soll das?«, fragte Gregor. Ein Film. Ein amerikanisches Melodram, dachte er. Wäre er Michael Douglas, er würde jetzt vielleicht gewalttätig werden. Er würde Madeleine ohrfeigen, aufs Bett werfen. Was würde im Hollywood-Streifen folgen? Eine Gewaltorgie. Oder eine enthemmte Sexszene. Beides wäre möglich. Dann die Versöhnung. Er könnte aber auch zusammenbrechen, während sie mit langen Beinen über seine gebrochene Existenz hinweg in ein neues Leben aufbricht.
    »Was hast du vor?«
    »Ich ziehe für eine Weile zu meinen Eltern«, sagte Madeleine. »Ich möchte, dass die Kinder in Sicherheit sind, solange du mit diesen Verrückten zu tun hast. Und ich brauche Abstand zu dem, was hier passiert ist. Und zu dir.«
    Gregors Gesicht brannte. So also fühlte sich das an. Streit. Trennung. Spitzfindige Bemerkungen fielen ihm nicht mehr ein.
    »Ganz schlechter Film«, sagte er und ging ins Wohnzimmer.

Without you I’m nothing

    Gregor lag wie der Kreidestrich eines Mordopfers auf dem Fußboden. Madeleine und er hatten sich für Lärche entschieden, eine widerstandsfähige, helle Wohnzimmerdielung mit einem rötlichen Ton. Nicht so unempfindlich wie Eiche oder eines dieser Tropenhölzer. Aber die wären für seine Frau ohnehin nicht infrage gekommen, der Regenwald musste unbedingt geschont werden. Es fühlte sich gut an, eine natürliche Art, auf diesem warmen, festen Grund seinen Körper zu spüren. Gregor wusste nicht, warum er sich nicht einfach ins Bett oder auf das Sofa gelegt hatte. Seit sich die Tür hinter Madeleine, Uta und Jutta geschlossen hatte und kurz darauf vor dem Fenster das Auto davongefahren war, fühlte er sich allein. Das traf es nicht. Entsetzlich einsam fühlte er sich, verlassen, leer und erschöpft.
    Wie oft hatte er sich gewünscht, einmal die Wohnung ganz für sich zu haben, nicht alle Nase lang zwei Kinderköpfe gegen seine Beine prallen zu fühlen. Nun hatte er seine Freiheit und das Erste, wonach ihm war, war sich in die Mitte des Zimmers zu legen und leblos auf die Maserung des Holzes zu starren, die Flecken, Striemen und Risse, die sich wie eine Familienchronik in die Bretter gezeichnet hatten. Madeleine und die Kinder waren weg, und es war nicht abzusehen, wann sie wieder heimkehren würden.
    Würde es ihnen jemals wieder gelingen, eine glückliche Familie zu werden? Einfach vier Menschen, die sich liebten, ohne Sorgen, nicht mehr und nicht weniger? Der Gedanke, dass dies scheitern könnte, tat unendlich weh. Vielleicht war der Streit mit Madeleine weit weniger dramatisch, als er ihn im Stillen weiterspann. Das Auseinandergehen im Zorn zehrte an ihm. Dieses schwelende Feuer der offenen Fehde, die Ungerechtigkeiten, die man sich an den Kopf geworfen hatte und die leider zu spät gedachten Argumente, all das drohte ihn wahnsinnig zu machen. In solchen Situationen neigte er zu Schwarzmalerei und maßlosem Weltschmerz. Mit einem Mal genoss er das Leiden. So fühlte sich Jugend an, unerfüllte Liebe, Suhlen im Sinnlosen. Er wollte Musik hören, die dieses Lebensgefühl unterstrich. Mühsam rappelte er sich auf, ging zu seiner Plattensammlung und zog ein gelbes Cover heraus. Zwei junge, streng gekämmte Frauen in Tanktops, die sich mit

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