Herrgottschrofen
null brauchen, Gonzo, glaub’s mir!«
»Tomboy, das sind Menschenknochen. Ich kenn mich damit aus. Du hörst sofort mit dem Graben auf.«
»Ja, freilich. Und morgen steh ich neben dir auf dem Arbeitsamt und stempel. Nein, danke. Jetzt wird hier ausgehoben.« Suldinger schluckte die Reste seiner Leberkassemmel hinunter und warf das Einwickelpapier auf den Erdhaufen.
»Ich sag’s nur ganz ungern. Aber wenn hier Menschenknochen liegen, dann vielleicht wegen eines Verbrechens. Und wenn du dessen Aufklärung behinderst, machst du dich strafbar. Dann steh ich doch allein im Arbeitsamt, weil du – Café Loisach.« Hartinger malte den Teufel überdeutlich an die Wand. Dabei glaubte er selbst nicht, dass sie den Baggerfahrer in den idyllisch am Flussufer gelegenen Knast von Garmisch-Partenkirchen einsperren würden.
»Was soll ich jetzt machen mit dem Schmarrn?« Suldinger war nicht wohl in seiner Haut. »Hast mich sauber neigritten!« Nichtbaggern bedeutete Ärger mit dem Chef, Baggern Ärger mit der Polizei. Und in ein paar Tagen wurde der Ministerpräsident erwartet.
Baggern oder Nichtbaggern – das war hier die Frage. Und die ging über seine Kompetenz hinaus. Er zog das Handy aus der Brusttasche der Latzhose und rief in seiner Firma an.
»Der Chef ist nicht erreichbar, mit seinen Spezln auf Jagdausflug irgendwo im Ammertal«, berichtete er Hartinger, nachdem er diese Auskunft vom Büro erhalten hatte.
»Dann ruf ich jetzt den Bernbacher Ludwig an«, sagte Hartinger und griff sich das Mobiltelefon.
»Gonzo, muss des sein?«, seufzte der Suldinger.
Hartinger nickte nur. Ja, es musste sein.
Karl-Heinz Hartinger wählte die 110 und ließ sich von der Leitstelle mit Garmisch-Partenkirchens oberstem Ordnungshüter Ludwig Bernbacher verbinden.
»Unmöglich. Ich hab den Termin extra reingequetscht. – Verschieben? Wie stellen Sie sich das vor?« Dr. Christoph Kleinschmied blickte verärgert auf den Outlook-Kalender des Ministerpräsidenten auf seinem Computerbildschirm. Dann wandte er sich vom PC ab und fixierte das Kruzifix, das in der gegenüberliegenden Ecke seines Büros hing. »Und dann auch noch wegen so einer Sache! Nee, das können Sie vergessen, Herr Bürgermeister, den Termin am Mittwoch muss ich knicken. Das macht der Chef nicht mit. – Jawohl, knicken, löschen, aus dem Kalender entfernen. Solang diese Geschichte nicht aufgeklärt ist, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass der Herr Ministerpräsident einen öffentlichen Auftritt bei euch da draußen wahrnimmt. Das baden Sie mal schön selber aus.«
Am anderen Ende der Leitung wurde aufgeregt argumentiert.
»Ja, ich weiß, dass das eine Signalwirkung hätte. – Ja, schon klar. – Mhm, logisch. Tunnelanstich trotz wackeliger Olympiabewerbung, Standfestigkeit der Partei und des Staates demonstrieren … – Ja, Herr Bürgermeister, vollkommen logisch. Nur, wenn ich auch mal was … – Hallo, Herr Meier, ich verstehe Ihre Argumente, aber lassen Sie mich doch bitte …« Dr. Kleinschmied kam gegen den Redeschwall seines Gesprächspartners nicht an. Er musste deutlich werden. »Jetz haldn Se doch aa amaal die Babbn!,« fränkelte er lautstark in den Hörer.
Offenbar zeigte dieser kleine Ausbruch Wirkung. Die Stimme am anderen Ende der Leitung verstummte. Kleinschmied nahm Anlauf.
»Lieber Herr Bürgermeister. Wir wissen Ihr Engagement zu schätzen. Sehr sogar. Aber bitte trauen Sie uns zu, dass wir selbst am besten beurteilen können, welche öffentlichen Auftritte des Herrn Ministerpräsidenten opportun sind und welche nicht. Und ich sage es jetzt zum allerletzten Mal: Solange die Herkunft der Leichenteile in Garmisch-Partenkirchen nicht geklärt ist, wird sich der Herr Ministerpräsident nicht an diesen Ort begeben. Und schon gar nicht an die Stelle, an der die Leichenteile gefunden wurden. – Wie? – Ja, Herr Bürgermeister, Leichenteile. Auch Knochen sind Leichenteile. – Nein, es sind nicht nur ›so a paar Knöcherl‹, es ist fast das vollständige Skelett eines Menschen ausgegraben worden. – Und auf dessen Grab wollen Sie den Herrn Ministerpräsidenten auftreten lassen?«
Am anderen Ende der Leitung wurde es wieder lebhafter.
»Ja, Herr Bürgermeister, ich sehe zu, was sich machen lässt. Die erste Lücke, die sich im Kalender auftut, reserviere ich Ihnen. Aber erst, wenn … – Nein, jetzt noch nicht! – Auch keinen Bleistifttermin. Bekommen Sie erst einmal Ihre Knochen entsorgt. – Freitag? Okay, wenn Sie mir
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