Herrgottschrofen
Pinnwand. Er warf einen Blick in die Spalte des Kollegen Meerbusch, aber der hatte auch nur Schrott bekommen. Es tat sich nichts Besonderes im Tal, und die Geschichte mit den Knochen vom Vortag musste erst einmal ihren Weg gehen.
Eine halbe Stunde, nachdem Hartinger Ludwig Bernbacher alarmiert hatte, war der mit drei seiner POMs vor Ort in der Breitenau eingetrudelt. Eile hatte man nicht an den Tag zu legen brauchen, denn Knochen konnten nicht weglaufen. So schwer es Bernbacher auch gefallen war, er hatte dem Hartinger recht geben müssen. Das konnten schon Menschenknochen sein, auch wenn noch nichts ganz Typisches gefunden worden war. Ein Schädel, zum Beispiel. Aber Bernbacher hatte der Fund eines Oberschenkelknochens und einiger kleinerer Knöchelchen, die wie Finger aussahen, genügt, um die Baggerarbeiten einstellen und das Gelände mit den rot-weißen Bändern abflattern zu lassen. Dann hatte er die Kriminaler in Weilheim angerufen, denn die hatten eine Spurensicherung.
Seitdem hatte Hartinger von der Sache nichts mehr gehört. Natürlich war er sofort von Bernbacher des Platzes verwiesen worden, und am Nachmittag hatte er sich in der Polizeiinspektion in der Münchner Straße zur Aufnahme eines Protokolls einfinden müssen. Dieses Mal war Hartinger wenigstens kein Verdächtiger. Das Protokoll aufzunehmen hatte keine halbe Stunde gedauert, danach konnte er wieder gehen.
Schnurstracks war er mit dem alten 740er Volvo, den er sich für den Winter besorgt hatte, hinaus an den Herrgottschrofen gefahren. Er hatte sehen wollen, was die Polizisten aus Weilheim in den letzten Stunden ausgegraben hatten.
Tatsächlich glich die Wiese mittlerweile einem frisch umgegrabenen Kartoffelacker. Das, was Suldinger nicht geschafft hatte, hatten zwei Raupen erledigt. Die gesamte Humusschicht lag abgetragen auf einem riesigen Haufen.
Die Spurensicherer in ihren weißen Overalls standen indes allesamt hinten rings um die Aushublöcher, in denen Hartinger die Knochen entdeckt hatte. So hatte Hartinger unbemerkt das rot-weiße Flatterband übersteigen können.
Er hatte unter den Spurensuchern deren Chef Hans Rottal ausgemacht, den er von mehreren Einsätzen im Süden Münchens her kannte. Der hatte ihm beschieden, dass es unmöglich sei, mit dem wenigen Personal, das ihm zur Verfügung stand, die gesamte Fläche abzusuchen. Darum konzentrierten sich seine Männer auf die unmittelbare Umgebung des Knochenfundes. Ein halbes Skelett hätten sie bereits freigelegt. Rottal hatte Hartinger die Knochen gezeigt, die sie fein säuberlich auf ein Tuch gelegt hatten, und zwar so, dass sich tatsächlich ein menschliches Skelett daraus ergab. Die Person sei schon ziemlich lange tot, das zumindest hatte Rottal sagen können.
Hartinger gefiel gar nicht, dass die Baumaschinen das ganze Areal zusammengeschoben hatten. Sofort vermutete er Verschleierungsabsichten. Bald würden Radlader den Humus auf große Laster schaffen und ihn irgendwo deponieren. Hatte jemand zu größerer Eile angetrieben, dass man gleich mit zwei Raupen planierte? Gab es jemanden, der verhindern wollte, dass noch mehr Knochen gefunden wurden?
Er hatte da einen Verdacht. Bei dem, was Suldinger erzählt hatte, würde das, was hier am Mittwoch über die Bühne gehen sollte, ein großer Event werden, und das, obwohl es sich nicht um eine Tunneleröffnung handelte, nicht mal um die Tunnel bau eröffnung. Sondern nur, so hatte Suldinger es ausgedrückt, um die »Eröffnung der Voruntersuchung«.
Und dafür kam der bayerische Ministerpräsident her. Um zu feiern, dass man untersuchen wollte, ob an dieser Stelle vielleicht möglicherweise unter Umständen irgendwann mal ein Tunnel gebaut werden sollte oder nicht. Eigentlich Irrsinn!
Dennoch wollte sich Bürgermeister Hans Meier die Gelegenheit, dem Herrn Landesvater vor den Kameras der versammelten bayerischen Presse die Hand zu schütteln, nicht verderben lassen.
Während Hartinger seine Fototermine in den Kalender des Handys übertrug, überlegte er, wann er wohl Tomboy Suldinger am besten unter vier Augen erwischen konnte. Er musste in Erfahrung bringen, ob nach dem Knochenfund ein Befehl zum beschleunigten Baggern ergangen war. Und wenn ja, wer ihn erteilt hatte.
»Vergiss es, Gonzo. Ich will doch nicht meinen Job verlieren.« Thomas Suldinger schüttelte den Kopf. »Ich bin Baggerführer. Das ist ein anständiger Beruf. Und kein Geheimagent oder Zivilbulle. Der Mann sorgt dafür, dass ich meine Miete zahlen kann und dass
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