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Herrgottswinkel

Herrgottswinkel

Titel: Herrgottswinkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramona Ziegler
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Daniel betrachten und fand ihn schön, schöner als je zuvor. Als sie ihm einen verliebten Morgenkuss auf die Lippen drückte, brummte er zufrieden und schlug blinzelnd die Augen auf. Dann standen sie gemeinsam auf und zogen ihre Sachen wieder an. Die Kleidung war voller Heu, und obwohl Anna vor dem Stadel alles ausschüttelte, fand sie noch hier und da übersehene Halme. Daniel lächelte sie verschmitzt an und meinte, die Mutter würde bestimmt eine Bürste und ein Bügeleisen haben, um die Knitterfalten wieder zu glätten. Aber mit zerzaustem Haar und verknittertem Hochzeitsgewand wollte Anna ihrer Schwiegermutter auf keinen Fall begegnen. Daniel verstand ihre Scham zwar nicht, doch er respektierte ihren Wunsch. Leise schlich sich Anna von hinten durch die Tenne in den Hof. Daniel ging durch den Stall ins Wohnhaus und dann in den ersten Stock. Er hörte seine Mutter in der Küche hantieren. Leise schloss er die Tür auf, die Tenne und Wohnhaus im ersten Stock miteinander verband. Anna schlüpfte in Daniels Zimmer und zog sich aus, dann hängte sie die Kleider auf einen Bügel. Daniel war schon in sein Arbeitsgewand geschlüpft. Nun holte er Anna vom Brunnen einen Krug Wasser. Vorsichtig, denn die Mutter sollte nichts merken, schlich er an der Küchentür vorbei. Anna kämmte ihr langes, dunkelblondes Haar mit den hellen Strähnen und wusch sich mit dem Wasser aus dem Krug. Schnell zog sie ihr Arbeitsdirndl an und lief zu Daniel vor das Haus, der gerade draußen am Brunnen sein Gesicht trocken rieb.
    In der Küche war die Schwiegermutter sichtlich erstaunt, die beiden jungen Leute so ordentlich gekämmt und angezogen zu sehen. Und Daniels Vater bemerkte beim Frühstück, dass er leider gar nichts von der Hochzeitsnacht mitbekommen habe, obwohl er immer wieder ganz angestrengt an der Wand gehorcht habe. Anna errötete und Daniel schüttelte schweigend den Kopf über so viel Neugier. Daniels Mutter wollte, dass Anna nach dem Frühstück hinter dem Haus Holz hackte. Doch Daniel widersprach ihr, eine Schwangere habe ja wohl keine Männerarbeit zu machen. »Heute Mittag kommt Annas Bruder Jakob und bringt die Hochzeitsgeschenke und Annas Bett sowie Aussteuerwäsche und Kleidung. Anna soll lieber in der Kammer Ordnung machen, damit das zweite Bett und die Wäschekommode auch Platz haben.«
    »Wie du meinst«, erwiderte seine Mutter, »du bist ja jetzt der Bauer und hast das Sagen!«
    »Na, na«, meinte Daniels Vater. »Noch bin ich nicht unter der Erde.«
    Also ging jeder seiner gewohnten Arbeit nach. Anna putzte die Kammer und hängte die Wäsche zum Lüften auf die Leine vor dem Haus. Sie zog das Bett ab und füllte den Sack, der als Matratze diente, mit frischem Stroh. Bald läuteten die Mittagsglocken, und da kam auch schon Jakob mit den Eltern und ihren Habseligkeiten den steilen Berg hochgefahren. Anna lief ihren Eltern freudestrahlend entgegen. Sie umarmte die Mutter, dann setzten sich alle zusammen vors Haus und aßen Kratzat mit Apfelmus und Zwetschgenkompott. Annas Schwägerin hatte gekocht. Das Essen schmeckte vorzüglich. Danach wurde der Wagen abgeräumt. Alle halfen mit und trugen die Gegenstände in die Kammer der jungen Eheleute. Anna und Daniel begleiteten die Eltern und Jakob zurück bis Tiefenbach, dann hieß es für lange Zeit Abschied nehmen, das wusste Anna. Es fiel ihr sichtlich schwer und sie sah ihren Eltern mit traurigen Augen hinterher, bis diese hinter einer Kurve verschwunden waren.
    Die jungen Eheleute gingen Hände haltend wieder die steile Anhöhe zur Breite hinauf. Daniel musste in den Stall und Anna räumte die Kammer auf. Sie richtete das Bett für die Nacht und bei dem Gedanken an ihren geliebten Daniel durchlief ein angenehmer Schauer ihren Körper. Sie errötete bei dem Gedanken, was er heute Nacht wieder alles mit ihr anstellen würde, doch plötzlich wurde sie von einem heftigen Klopfen in die Wirklichkeit zurückgeholt. Annas Schwägerin Walburga, von allen nur Burgel genannt, war gekommen, um sie zum Abendessen zu holen. Anna löschte das Licht und folgte Burgel nach unten.

FÜNFTES KAPITEL
    So vergingen die goldenen Oktobertage und der nebelreiche November. Daniel schlief jeden Abend neben Anna ein und wachte am Morgen neben ihr auf. Die Schwiegermutter war ihr gegenüber inzwischen etwas freundlicher geworden, denn sie schien sichtlich erleichtert, dass ihr Sohn seinen gefähr lichen nächtlichen Jagdtrieb nun anderweitig auslebte. Schon begann der erste Schnee zu fallen.

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