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Herrin der Dunkelheit

Herrin der Dunkelheit

Titel: Herrin der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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Vorwurf, »wir sind doch nicht deine psychiatrischen Patienten – noch nicht jedenfalls. Franz, ich frage mich, ob diese beiden so unschuldig wirkenden Mädchen nicht irgendwie in diese Sache verwickelt sind. Du hast uns erzählt, dass sie herumgewirbelt und getanzt haben, genau wie dein fahlbraun gekleideter Mensch. Ich bin sicher: Falls es so etwas wie psychische Energie geben sollte, so haben kleine Mädchen eine Menge davon.«
    »Du hast eine gute künstlerische Vorstellungskraft«, sagte Franz. »Diesen Zusammenhang habe ich nicht gesehen.« Er merkte, dass er die ganze Angelegenheit nicht mehr richtig ernst nahm, konnte aber nichts dagegen tun. »Saul, vielleicht habe ich auch etwas projiziert – zumindest teilweise – aber was? Außerdem war diese Gestalt sehr unscheinbar und tat nichts, das man als eine wirkliche Bedrohung auslegen könnte.«
    »Ich habe auch nicht behauptet, dass zwischen meinem und deinem Erlebnis irgendwelche Parallelen bestehen«, sagte Saul. »Das war deine Auslegung – und Cals. Ich bin lediglich an ein anderes, unheimliches Erlebnis erinnert worden.«
    Gun lachte sarkastisch. »Saul hält uns auch nicht für Vollidioten. Nur für psychotische Grenzfälle.«
    Es klopfte an die Tür, sie wurde aufgestoßen, und Dorotea Luque trat herein. Sie schnüffelte und blickte Saul vorwurfsvoll an. Sie war eine schlankere Ausgabe ihres Bruders, mit einem wundervollen Inka-Profil und blauschwarzem Haar. Sie hielt ein Postpaket mit Büchern für Franz in den Händen.
     
    »Ich ahnte, dass du bist hier«, erklärte sie, »und dann ich höre dich sprechen. Hast du gefunden schreckliche Dinge, zum Schreiben darüber, mit deinem … wie nennt man das …?« Sie hielt beide Hände vor die Augen, in Imitation eines Fernglases, und blickte fragend von einem zum anderen, als sie zu lachen begannen.
    Während Cal der Frau ein Glas Wein holte, berichtete Franz mit wenigen Sätzen von seinen Erlebnissen. Zu seiner Überraschung nahm sie die Gestalt in seinem Fenster sehr ernst.
    »Bist du sicher, dass nichts gestohlen?« fragte sie besorgt. »Wir haben Stehlerin im zweiten Stock, glaube ich.«
    »Mein tragbares Fernsehgerät und mein Tonbandgerät waren noch da«, sagte er. »Und die würde ein Dieb wohl als erstes mitgehen lassen.«
    »Aber was ist mit deinem Markknochen?« fragte Saul. »Hat Taffy den mitgenommen?«
    »Und hast du Tür zweimal abgeschlossen und Fenster zugemacht?« erkundigte sich Dorotea und illustrierte den Vorgang mit einer energischen Handbewegung. »Ist jetzt zweimal abgeschlossen?«
    »Ich drehe den Schlüssel immer zweimal herum«, versicherte ihr Franz. »Früher war ich überzeugt, dass sie nur in Krimis Schlösser mit einer Plastik-Karte aufdrücken können. Aber dann habe ich entdeckt, dass ich mein Türschloss sogar mit einer Fotografie zurückschnappen lassen konnte. Aber das Fenster schließe ich nie. Wegen der Lüftung.«
    »Du musst auch immer Fenster schließen, wenn ausgehen«, sagte Dorotea nachdrücklich. »Ihr alle müsst Fenster schließen, habt ihr gehört? Aber ich bin glücklich, dass nichts gestohlen. Gracias.« Sie nickte Cal zu und trank einen Schluck von ihrem Wein.
    Cal lächelte und sagte zu Saul und Gun: »Warum sollte eine moderne Stadt nicht auch ihre Gespenster haben, genau wie die alten Burgen und Friedhöfe und Landhäuser?«
    Saul sagte: »Meine Mrs. Willis glaubt, dass die Wolkenkratzer hinter ihr her sind. In der Nacht machen sie sich klein und schmal, behauptet sie, und schleichen durch die Straßen, um sie einzufangen.«
    Gun sagte: »Ich habe einmal einen Blitz kreischen hören. Das war in Chicago. Das Gewitter stand über der Loop, und ich war in der Universität, im Süden der Stadt, direkt neben dem ersten Atommeiler. Ich sah einen Blitz über den nördlichen Horizont zucken, und dann, sieben Sekunden später, kein Donner, sondern ein schrilles, stöhnendes Kreischen. Ich hatte die Vorstellung, dass alle Hochbahnstrecken in Resonanz auf eine Radio-Komponente des Blitzes hin vibrierten.«
    Cal sagte eifrig: »Könnte nicht allein die Masse des verbauten Stahls …? Franz, erzähle ihnen von dem Buch.«
    Er wiederholte, was er ihr am Morgen über Megapolisomancy gesagt hatte, und noch ein bisschen mehr.
    Gun sagte: »Und er behauptet, dass unsere modernen Städte unsere ägyptischen Pyramiden sind? Herrlich. Stellt euch doch einmal vor: Wenn wir alle von irgendeiner Verschmutzung getötet worden sind – nuklear, chemisch, von Plastik erstickt

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