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Herrin der Dunkelheit

Herrin der Dunkelheit

Titel: Herrin der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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eiskalte Wut. Über seinen Ängsten und Phantastereien hatte er völlig die simple Tatsache übersehen, dass irgend jemand sich in seinem Apartment zu schaffen machte! Aber wer? Dorotea Luque besaß einen Hauptschlüssel für alle Türen des Gebäudes, aber sie war nicht neugierig und würde niemals eine Wohnung betreten, deren Mieter abwesend war, genauso wenig wie ihr Bruder Fernando, der für kleine Reparaturen zuständig war, kaum ein Wort Englisch sprach, erstaunlicherweise jedoch ein ausgezeichneter Schachspieler war. Franz hatte vor einer Woche seinen Zweitschlüssel Gun gegeben – er sollte während Franz’ Abwesenheit ein Paket für ihn in Empfang nehmen –, und Gun hatte ihn noch nicht zurückgegeben. Das bedeutete, dass entweder Gun oder Saul – oder auch Cal – ihn jetzt haben mochte. Cal besaß einen verblichenen, alten Morgenrock, den sie gelegentlich noch trug …
    Aber nein, es war lächerlich, einen seiner Freunde zu verdächtigen. Aber was war mit der ›Stehlerin‹, die Dorotea so große Sorgen machte? Das klang wahrscheinlicher. Du musst den Tatsachen ins Auge sehen, sagte er sich. Während du dir hier einen vergnügten Tag gemacht und eine obskure ästhetische Neugier befriedigt hast, ist ein Einbrecher – wahrscheinlich rauschgiftsüchtig – irgendwie in dein Apartment eingedrungen und plündert es jetzt aus.
    Wütend hob er das Glas wieder vor die Augen. Diesmal fand er das Gebäude sofort, aber es war zu spät. Während er seine Nerven beruhigt und sich in wilden Spekulationen ergangen hatte, war die Sonne tiefer gesunken, und der Spalt zwischen den beiden Hochhäusern lag jetzt im tiefen Schatten, so dass er sein Fenster nicht erkennen konnte, und schon gar nicht eine Gestalt, die sich dort herauslehnen mochte.
    Seine Wut klang ab. Er sah ein, dass sie hauptsächlich eine Reaktion auf den Schock über das gewesen war, was er in seinem Fenster gesehen hatte – oder gesehen zu haben glaubte … Nein, er hatte etwas gesehen, aber was?
    Er stand von seinem harten Sitz auf. Seine Beine waren eingeschlafen, und der Rücken war steif vom Sitzen. Er fühlte sich etwas deprimiert, als er wieder in den Wind trat, und das war kein Wunder, denn vom Westen zogen dichte Nebelbänke auf, die jetzt bereits den Fernsehturm erreicht hatten und seinen unteren Teil verdeckten. Überall waren tiefe Schatten. Corona Heights hatten ihren Zauber für ihn verloren; er wollte so rasch wie möglich von hier fort – und nach Hause, um sein Apartment zu kontrollieren. Nach einem kurzen Blick auf seine Karte begann er den Abstieg, über den Osthang, auf dem auch die farbenfroh gekleideten Wanderer den Gipfel verlassen hatte.
    Wirklich, er konnte es kaum erwarten, nach Hause zu kommen.

 
7
     
    Der Hang, der zum Buena Vista Park führte, war erheblich steiler als der entgegengesetzte, über den er aufgestiegen war. Immer wieder musste Franz seinen Impuls, ihn hinabzulaufen, um möglichst rasch nach Hause zu kommen, unterdrücken und sich dazu zwingen, langsam und vorsichtig zu gehen. Etwa auf halber Höhe des Hanges kamen zwei große Hunde auf ihn zugestürzt und knurrten ihn an. Es waren keine gutmütigen Bernhardiner, sondern diese schwarzen Dobermänner, die ihn immer an die SS denken ließen. Ihr Eigentümer, der ihnen folgte, ließ sich reichlich Zeit, sie zurückzurufen. Franz rannte über die grüne Wiese am Fuß des Berges und durch eine kleine Tür in dem hohen Maschendrahtzaun.
    Er überlegte, ob er Mrs. Luque anrufen sollte, oder sogar Cal, um sie zu bitten, sein Apartment zu kontrollieren, aber er ließ es schließlich, weil er sie nicht irgendeiner Gefahr aussetzen wollte. Und Gun und Saul waren nicht im Hause.
    Außerdem war er nicht mehr sicher, was er dort am wahrscheinlichsten vorfinden würde, und vor allem zog er es immer vor, seine Angelegenheiten selbst zu regeln.
    Kurz darauf eilte er den Buena Vista East Drive entlang, der unmittelbar am Park vorbeiführte – einem kleinen, dicht bewaldeten Hügel, dunkelgrün und voller Schatten. Bei seiner derzeitigen Stimmung kam er ihm als alles andere denn als eine buena vista, eine schöne Aussicht, vor, sondern eher als ein idealer Ort für Heroin-Intrigen und heimtückische Morde. Die Sonne war inzwischen untergegangen, und lange, gekrümmte Nebelarme griffen nach ihm. Als er Duboce Street erreichte, wollte er sie hinablaufen, aber sie war zu steil – steiler als alle anderen Straßen auf den mehr als sieben Hügeln von San Francisco – und

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