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Herrin der Dunkelheit

Herrin der Dunkelheit

Titel: Herrin der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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habe, und es sich dabei um dasselbe handelt. Aber warum fünfzig?
    Ich sollte Howard darüber schreiben, er wäre sicher ziemlich erstaunt und – ja! – beglückt, weil es so exakt den dekadenten und schleimigen Horror schildert und illuminiert, den er in New York und Boston, und sogar in Providence gefunden hat (nicht Levantiner oder Mediterraner, sondern halbidiotische Paramentale!). Ich bin jedoch nicht sicher, ob er das ertragen könnte. Ich weiß nicht einmal, wie viel mehr davon ich selbst noch ertragen kann. Und wenn ich dem alten Tiberius auch nur andeute, sein paranaturales Wissen mit anderen, verwandten Geistern zu teilen, wird er so grob wie sein Namensvetter in seinen letzten Tagen auf Capri und beginnt wieder, über die Menschen herzufallen, die seiner Ansicht nach ihn und den von ihm geschaffenen Hermetischen Orden verlassen und verraten hätten.
    Ich sollte ebenfalls aussteigen – ich habe alles erfahren, was ich wissen will, und es gibt eine Menge Geschichten, die danach schreien, geschrieben zu werden. Aber kann ich diese höchste Ekstase aufgeben, jeden Tag zu wissen, dass ich von den Lippen des Schwarzen Pythagoras neue paranaturale Wahrheiten hören werde? Es ist wie eine Droge, die ich haben muss. Wer kann es aufgeben, Tag für Tag solche wunderbaren Phantasien zu hören? – besonders, wenn diese Phantasien Wahrheiten sind.
    Das Paranaturale, nur ein Wort – doch welche Bedeutung hat es! Das Paranaturale – ein Traum von Großmüttern und Priestern und Autoren von Horror-Stories. Ich frage mich nur, wie viel davon ich ertragen kann. Ob ich den direkten Kontakt zu einem paramentalen Wesen finden könnte, ohne verrückt zu werden?
    Als ich heute zurückkam, fühlte ich, dass meine Sinne metamorphosierten. San Francisco war eine Meganekropolis, die von Paramentalem am Rande des Gesichtsfeldes und der Gehörfrequenzen vibrierte, jeder Häuserblock ein surreales Mahnmal, unter dem Dali begraben sein könnte, und ich einer der lebenden Toten, dem alles mit kaltem Entzücken bewusst war. Doch jetzt, zwischen den Wänden dieses Raums, habe ich Angst.
     
    Franz blickte mit einem leisen Lachen auf die düstere Wand hinter dem Bett, auf die spinnenwebartige Zeichnung des Fernsehturms auf fluoreszentem Rot, und sagte zu seinem gelehrigen ›Studentenliebchen‹, das zwischen ihm und der Wand lag: »Er hat sich ganz schön darüber aufgeregt, nicht wahr, Liebling?«
    Dann wurde sein Gesicht wieder ernst. Der ›Howard‹ in der Tagebucheintragung musste Howard Phillips Lovecraft sein, dieser puritanische Poe des zwanzigsten Jahrhunderts aus Providence, mit seinem bedauernswerten, aber zweifellos vorhandenen Ekel vor den Schwärmen von Einwanderern, die, wie er fürchtete, die Traditionen und Denkmäler seines geliebten Neu-Englands und der ganzen Ostküste bedrohten. (Und hatte Lovecraft nicht hin und wieder als Ghostwriter für einen Mann gearbeitet, dessen Name dem de Castries’ ähnlich war? Caster? – oder Carswell?) Er und Smith waren lange Zeit Brieffreunde gewesen. Und die Erwähnung eines ›Schwarzen Pythagoras‹ war allein schon ein fast sicherer Beweis, dass der Tagebuchschreiber de Castries’ Buch gelesen haben musste. Und diese Erwähnung eines Hermetischen Ordens und einer ›Grand Cipher‹ (oder Fünfzig-Buches) waren eine Herausforderung an seine Fantasie. Doch Smith (wer sonst?) war offensichtlich genauso entsetzt wie fasziniert über die Auslassungen seines querköpfigen Mentors gewesen. Das zeigte sich sogar noch deutlicher bei einer späteren Eintragung:
     
    Hasste, was der schadenfreudige Tiberius heute über das Verschwinden von Bierce und den Tod von Sterling und Jack London andeutete. Nicht nur, dass sie in Wahrheit Selbstmörder gewesen sein sollen (was ich kategorisch zurückweise, insbesondere, was Sterling betrifft!), sondern dass bei ihrem Tod auch noch andere Elemente eine Rolle gespielt haben könnten – Elemente, für die der alte Teufel sich das Verdienst anzumaßen scheint!
    Er kicherte sogar, als er sagte: ›Über eins müssen Sie sich klar sein, mein lieber Junge, dass sie alle paramental eine sehr schwere Zeit zu durchleben hatten, bevor sie ausgelöscht wurden – oder zu ihren grauen, paranaturalen Höllen schlurften. Sehr bedrückend, diese Vorstellung, doch es ist das gemeinsame Schicksal aller Judasse – und aller kleinen Wichtigtuer‹, setzte er hinzu und starrte mich unter seinen buschigen, weißen Brauen hervor an.
    Ob er mich hypnotisierte?
    Warum

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