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Herrin der Dunkelheit

Herrin der Dunkelheit

Titel: Herrin der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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zuschreiben, und von dem Sie mir bereits eine Fotokopie zusandten.«
    Franz, der noch immer systematisch seine neue Umgebung beobachtete, antwortete: »Das ist richtig. Ich habe ein paar Fragen an Sie. Aber vorher möchte ich Ihnen erzählen, was mir eben passiert ist.«
    »Selbstverständlich. Ich bin äußerst gespannt, davon zu hören.«
    Franz bemühte sich, seine Schilderung kurz zu fassen, stellte jedoch sehr bald fest, dass sie damit sehr an Bedeutung und Eindruckskraft verlor, und deshalb wurde schließlich ein ausführlicher, chronologischer Bericht über die Ereignisse der letzten dreißig Stunden daraus. Dadurch, und mit Hilfe einiger Tassen Kaffee, den er wirklich brauchte, und seiner Zigaretten, von denen er seit mindestens einer Stunde nicht eine geraucht hatte, begann er nach einer Weile eine erhebliche Katharsis. Seine Nerven wurden spürbar ruhiger. Sie brachte ihn zwar nicht dazu, seine Ansichten über das Erlebte und seine vitale Bedeutung zu ändern, doch machte die Gegenwart eines anderen Menschen und mitfühlenden Zuhörers alles viel leichter.
    Denn Byers hörte ihm sehr konzentriert und aufmerksam zu, half ihm nur mit gelegentlichem Nicken, Stirnrunzeln und Kopfschütteln und machte knappe Zustimmungen und Bemerkungen. Zugegeben, die letzteren waren weniger praktisch als ästhetisch – oft sogar ein wenig frivol –, aber das störte Franz nicht im geringsten, da er völlig auf seine Story konzentriert war; während Byers, trotz seiner Frivolität, tief beeindruckt schien und nicht nur mit höflicher Gläubigkeit Franz’ Schilderungen zuhörte.
    Als Franz kurz auf den bürokratischen Rundlauf zu sprechen kam, auf den man ihn an diesem Vormittag geschickt hatte, verstand Byers den darin liegenden Humor sofort und sagte: »Der Tanz der Schreiber und Sekretäre, wie putzig!« Und als er von Cals musikalischen Leistungen hörte, bemerkte er: »Franz, Sie haben wirklich einen guten Geschmack bei Mädchen. Eine Harfenistin! Was könnte schöner sein? Meine derzeitige Freundin-Sekretärin-Gespielin-Haushälterin-cum-Mondgöttin ist Nordchinesin, äußerst belesen, und arbeitet mit Edelmetallen – sie hat diese entzückend obszönen Silberfiguren hergestellt, nach dem Verlorenen-Wachs-Prozess von Cellini. Sie hätte Ihnen normalerweise den Kaffee serviert, aber wir haben heute einen unserer privaten Tage, an denen wir getrennt Entspannung suchen. Ich nenne sie Fa Lo Suee (das ist die Tochter Fu Manchus – einer unserer halbprivaten Scherze), weil sie einen so wunderbar unheilvollen Eindruck macht als ob sie in der Lage wäre, sich die ganze Welt zu unterwerfen, wenn sie es wollte. Sie werden sie kennen lernen, wenn Sie bis zum Abend bleiben. Aber ich habe Sie unterbrochen. Entschuldigen Sie. Bitte fahren Sie fort.« Und als Franz das astrologische Graffiti auf den Felsen der Corona Heights erwähnte, pfiff er leise durch die Zähne und sagte: »Wie überaus passend!« mit einer solchen Emphasis, dass Franz ihn fragte: »Warum?« Doch Byers wich aus. »Nichts«, sagte er rasch. »Ich staune nur über die immense Reichweite unserer unermüdlichen Schmierfinken. Nächstens werden sie noch eine Pyramide von Bierbüchsen auf dem mystischen Gipfel von Shasta errichten. Dieser Birnenwein ist köstlich – Sie sollten ihn versuchen –, eine erstklassige Kreation der San Martin Kellerei im Santa Clara-Tal. Bitte fahren Sie fort.«
    Doch als Franz Megapolisomancy ein drittes und viertes Mal erwähnte und sogar daraus zitierte, hob er die Hand, um ihn zu unterbrechen, und trat zu einem Bücherschrank. Er schloss ihn auf, nahm ein dünnes Buch heraus, dessen schwarzer Ledereinband mit silbernen Arabesken verziert war, und reichte es Franz, der es aufschlug.
    Es war ein Exemplar von de Castries’ so schlampig gedrucktem und gebundenem Buch, identisch mit seinem eigenen Exemplar, soweit er es beurteilen konnte, bis auf die sorgfältigere, kostbarere Ausführung. Er blickte Byers fragend an.
    Byers erklärte: »Bis jetzt habe ich nicht gewusst, dass Sie auch ein Exemplar dieses Buches besitzen, mein lieber Franz. Sie haben mir nur das Journal gezeigt, wie Sie sich sicher erinnern, und mir später Fotokopien der beschriebenen Seiten zugeschickt. Sie haben nie erwähnt, dass Sie mit dem Journal noch ein zweites Buch gekauft haben. Aber Sie waren damals ziemlich … nun, angesäuselt.«
    »Ich war damals ständig betrunken«, sagte Franz trocken.
    »Ich verstehe … die arme Daisy … kein Wort mehr darüber.

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