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Herrin der Dunkelheit

Herrin der Dunkelheit

Titel: Herrin der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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Deckungen, die sie boten. Wer konnte wissen, wie schnell ein Paramentaler sich bewegen konnte. Mit dem Tempo eines Geparden? Mit Schallgeschwindigkeit? So schnell wie das Licht? Er konnte längst hier auf dem Gipfel sein. Franz sah sein Fernglas am Fuß eines Felsens liegen, gegen den er es geschleudert hatte, als er mit einer konvulsivischen Bewegung die Hände vorgestreckt hatte, um das Ding von seinen Augen fernzuhalten.
    Er blickte zu der grünen Wiese hinab. Die beiden kleinen Mädchen waren verschwunden, und auch ihre Betreuerin, und das junge Paar, und die drei Hunde. Doch während er das feststellte, sah er einen großen Hund (einen der Dobermänner? Oder etwas anderes?) auf sich zutraben und hinter einem breiten Felsen am unteren Teil des Hanges verschwinden. Er hatte vorgehabt, in dieser Richtung den Hang hinabzulaufen, aber nicht, wenn dieser Hund (und welche anderen? und was sonst?) sich dort herumtrieben. Es gab zu viel Deckung auf dieser Seite der Corona Heights.
    Er stellte sich auf den Stein, auf dem er vorher gesessen hatte, zwang sich zur Ruhe und blickte zwischen zusammengepressten Lidern hindurch auf das Dächermeer hinab, bis er den Spalt gefunden hatte, in dem sein Fenster lag. Es war jetzt in tiefem Schatten, und selbst mit dem Fernglas wäre er nicht in der Lage gewesen, irgendwelche Einzelheiten zu erkennen.
    Er kletterte vorsichtig zu dem Felsen hinab, warf einen raschen Blick dahinter, hob sein zerbrochenes Fernglas auf und rammte es in die Tasche. Das zerbrochene Glas von Linsen oder Prismen klirrte ein wenig, und dieses leise Geräusch war ihm genauso unangenehm wie das Knirschen von Geröll unter seinen Füßen. So etwas konnte seinen Standort verraten.
    Eine einzige Sekunde des Bewußtwerdens konnte das Leben eines Menschen nicht so grundlegend verändern, nicht wahr? Aber es war geschehen.
    Er versuchte, seine Realitäten in den Griff zu bekommen, ohne sich eine Blöße zu geben. Zunächst einmal gab es keine paramentalen Wesen, sie waren lediglich Teil von de Castries’ Pseudowissenschaft aus dem Jahr 1890. Aber er hatte eins gesehen, und, wie es Saul gesagt hatte, gab es keine Realität außer den unmittelbaren Empfindungen eines Individuums: Sehen, Hören, Schmerz – das war wirklich. Verleugne deinen Verstand, verleugne deine Empfindungen, und du verleugnest die Realität. Und selbst der Versuch einer Rationalisierung ist schon ein Verleugnen. Doch gibt es natürlich auch falsche Empfindungen, optische und andere Illusionen …
     
    Also wirklich! Versuch doch mal, einem Tiger, der dich anspringt, zu erklären, dass er eine Illusion ist! Das lässt nur Halluzinationen übrig, und, natürlich, Irrsinn. Teile der inneren Realität … und wer kann sagen, wie weit die innere Realität reicht? Wie Saul es ausgedrückt hatte: ›Wer würde schon einem Verrückten glauben, wenn er behauptet, gerade einen Geist gesehen zu haben? Innere oder äußere Realität? Wer kann das bestimmen?‹ Auf jeden Fall, sagte sich Franz, musste er sich immer wieder vor Augen halten, dass er jetzt vielleicht verrückt war – ebenfalls ohne sich auch bei dieser Sache die geringste Blöße zu geben!
    Und während diese Gedanken durch seinen Kopf gingen, eilte er wachsam, vorsichtig und doch ziemlich schnell den Hang hinab, wobei er sich etwas abseits des geröllübersäten Pfades hielt, um weniger Geräusch zu verursachen. Immer wieder blickte er rasch nach beiden Seiten und über die Schulter, besonders gründlich musterte er mögliche Verstecke und Deckungen und schätzte die Entfernung zu ihnen ab. Er hatte das Gefühl, dass etwas von beträchtlicher Größe ihm folgte, etwas, das überaus schlau war und sich fast ungesehen von einer Deckung zur nächsten bewegte, etwas, von dem er nur vage, schattenhafte, huschende Bewegungen sah (oder zu sehen glaubte). Einer der Hunde? Oder mehr als einer? Vielleicht von niedlichen, schnellfüßigen kleinen Mädchen auf ihn gehetzt? Oder …? Er überraschte sich dabei, die Hunde als Spinnen zu sehen, doch so groß und so haarig wie Hunde. Eines Morgens, nach einer Nacht, in der er mit Cal geschlafen hatte – ihr Körper und ihre Brüste fahlschimmernd im ersten Licht der Morgendämmerung –, hatte sie ihm von einem Traum erzählt, in dem sie von zwei Barsois verfolgt worden war, die sich plötzlich in zwei genauso große und elegant cremefarbig behaarte Spinnen verwandelt hätten.
    Was wäre, wenn jetzt ein Erdbeben die Erde aufreißen ließe (er musste auf alles

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