Herrin der Dunkelheit
Mich wundert nur eins: Megapolisomancy ist nicht nur ein seltenes Buch, sondern auch, wörtlich genommen, ein sehr geheimes. In seinen letzten Lebensjahren hat de Castries seine Ansichten über diese Thematik geändert und versucht, alle Exemplare seines Buches aufzukaufen und zu vernichten. Und das hat er auch geschafft! Beinahe. Er ist sogar gegenüber Menschen, die sich weigerten, ihr Exemplar herauszugeben, ziemlich unangenehm geworden. Er war wirklich ein sehr böser, alter Mann, würde ich sagen, wenn ich solche moralischen Verurteilungen nicht prinzipiell ablehnen würde. Jedenfalls sah ich zu der Zeit keinen Grund, Ihnen mitzuteilen, dass ich das – wie ich damals glaubte – einzige noch existierende Exemplar dieses Buches besaß.«
»Gott sei Dank!« rief Franz. »Ich hatte gehofft, dass Sie etwas über de Castries wüssten.«
»Ich weiß sogar eine ganze Menge über ihn«, sagte Byers. »Aber erzählen Sie zuerst den Rest Ihrer Geschichte. Sie waren also auf den Corona Heights – ich meine Ihren heutigen Besuch – und blickten durch Ihr Fernglas auf die Transamerica Pyramide, der Anlass für Ihr Zitat de Castries’ über ›moderne Pyramiden‹ …«
»Richtig«, sagte Franz rasch, weil dies zu dem schlimmsten Erlebnis dieses Nachmittags führte, dem Anblick der schmalen, fahlbraunen Schnauze und seiner Flucht vom Gipfel der Corona Heights, und als er mit seiner Schilderung dieser Phase fertig war, rann Schweiß von seiner Stirn, und er blickte wieder ängstlich umher.
Byers seufzte mitleidig und sagte dann befriedigt: »Und deshalb sind Sie zu mir gekommen, von den Paramentalen bis zu meiner Haustür verfolgt!« Und er wandte sich in seinem Sessel um und blickte ein wenig zweifelnd zu den golden schimmernden Fenstern hinter sich.
»Donaldus!« sagte Franz gereizt, »ich berichte Ihnen von Dingen, die tatsächlich passiert sind, nicht irgendeine verrückte Geschichte, die ich mir ausgedacht habe, um Sie zu unterhalten. Ich weiß, dass alles an einer Gestalt hängt, die ich mehrere Male auf eine Entfernung von zwei Meilen durch ein siebenfach vergrößerndes Fernglas gesehen habe, und deshalb kann mir jeder den Vorwurf machen, einer optischen Illusion zum Opfer gefallen zu sein, oder der Macht der Suggestion, oder einem instrumentalen Defekt; aber ich verstehe einiges von Psychologie und Optik und bin sicher, dass es keins davon war! Ich habe mich sehr gründlich mit der Frage der Fliegenden Untertassen befasst und nicht ein einziges Mal von einer UFO-Sichtung gehört, die wirklich überzeugend war; und ich habe diffuse Reflexe auf den Rümpfen von Flugzeugen gesehen, die oval waren und pulsierten, genau wie es bei der Hälfte aller UFO-Sichtungen beschrieben worden ist. Aber ich habe keine Zweifel dieser Art bei dem, was ich gestern und heute gesehen habe.«
Doch selbst, während all das aus ihm heraussprudelte und er noch immer unsicher zu Türen und Fenstern und in dunkle Winkel blickte, spürte Franz tief in seinem Inneren, dass er tatsächlich an seinen Erinnerungen von dem, was er gesehen hatte, zu zweifeln begann – vielleicht war der menschliche Verstand unfähig, eine solche Angst länger als eine gute Stunde lang festzuhalten, wenn sie nicht durch Repetition verstärkt wurde –, doch er würde sich eher die Zunge abbeißen, als Donaldus das einzugestehen!
Er sagte eisig: »Natürlich ist es möglich, dass ich wahnsinnig geworden bin, vorübergehend oder für immer, und ›Dinge sehe‹, aber bis ich dessen sicher bin, denke ich nicht daran, mich wie ein hemmungsloser Idiot zu benehmen – oder wie ein Clown.«
Donaldus, der schon eine geraume Weile protestierende und beschwörende Gesten gemacht hatte, sagte jetzt, verletzt und beruhigend: »Mein lieber Franz, ich habe nicht einen einzigen Augenblick an Ihrer Ernsthaftigkeit gezweifelt oder Sie für psychotisch gehalten. Sie können mir glauben, dass ich geneigt war, an die Existenz paramentaler Wesen zu glauben, seit ich de Castries’ Buch gelesen habe, und besonders, nachdem ich mehrere sehr seltsame Geschichten über ihn gehört hatte, und jetzt hat Ihr wirklich aufwühlender Augenzeugenbericht auch meine letzten Zweifel hinweggefegt. Aber ich habe noch keins dieser paramentalen Wesen gesehen – ich bin sicher, dass ich dann den gleichen Terror fühlen würde wie Sie, und noch mehr – und bis dahin, und vielleicht in jedem Fall, trotz des verständlichen Horrors, den sie in uns auslösen, halte ich sie für die faszinierendsten
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