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Herrin der Dunkelheit

Herrin der Dunkelheit

Titel: Herrin der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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ist verschlossen, und jetzt werde ich auch noch den Riegel vorschieben, wenn es Sie beruhigt. Wie wär’s mit einem guten Wein? Das wäre für Ihren Zustand wohl angemessen. Aber sagen Sie mir bitte gleich, ob Sie einen Arzt brauchen, damit wir uns darüber später keine Gedanken zu machen haben.«
    Sie standen jetzt einander gegenüber. Jaime Donaldus Byers war etwa in Franz’ Alter, Mitte Vierzig, mittelgroß, mit der gelösten, selbstsicheren Haltung eines Schauspielers. Er trug eine blaßgrüne Nehru-Jacke mit unauffälliger Goldstickerei, eine Hose aus dem gleichen Material, Ledersandalen und einen langen, fahlvioletten Morgenmantel, der offen stand. Sein sorgfältig gekämmtes, rotbraunes Haar hing ihm bis zu den Schultern. Sein Van-Dyck-Bart und der schmale Schnurrbart waren sauber gestutzt. Sein Gesicht war von einer leichten, vornehm wirkenden Bräune, die großen Augen elisabethanisch, erinnerten an Edmund Spenser. Und er war sich seines guten Aussehens durchaus bewusst.
    Franz, dessen Aufmerksamkeit zunächst von der ihm neuen Umgebung gefesselt wurde, sagte rasch: »Nein, keinen Arzt. Und auch keinen Alkohol, Donaldus, nicht heute. Aber wenn ich einen Kaffee haben könnte, schwarz und stark …«
    »Sofort, mein lieber Franz. Kommen Sie ins Wohnzimmer, dort ist alles, was wir brauchen. Aber was, um alles in der Welt, hat Sie so erschüttert? Was jagt Sie?«
     
    »Ich habe Angst«, sagte Franz kurz, und setzte dann rasch hinzu: »vor Paramentalen.«
    »Oh, nennt man die große Bedrohung heutzutage so?« sagte Byers lächelnd, doch seine Lider zogen sich sekundenlang zu engen Schlitzen zusammen. »Ich hatte immer angenommen, es sei die Mafia. Oder der CIA? Oder etwas aus Ihrer Unheimlicher Untergrund-Serie? Irgend etwas Neues? Und dann gibt es noch immer das zuverlässige Russland. Ich bin nur oberflächlich informiert. Ich lebe fast ausschließlich in der Welt der Kunst, wo Realität und Fantasie eins sind.«
    Er wandte sich um und führte Franz ins Wohnzimmer. Während er Byers folgte, wurde Franz sich einer melange verschiedener Gerüche bewusst: frisch aufgegossener Kaffee, Weine und Spirituosen ein schwerer Weihrauchduft und einige Parfüms. Ihm fiel flüchtig Sauls Story von der unsichtbaren Krankenschwester ein, und er warf einen raschen Blick zurück, auf die teppichbelegten Stufen und die an ihrem Fuß liegende Eingangshalle.
    Byers winkte Franz, sich irgendwo zu setzen, und trat dann zu einem schweren Tisch, auf dessen Platte schlanke Flaschen und zwei kleine, dampfende Silberurnen standen. Franz erinnerte sich an Peter Vierecks Verszeile: ›Die Kunst ist, wie ein Barmann, niemals betrunken‹, und dachte an die Jahre, als Bars für ihn ein Zufluchtsort gewesen waren, an dem er sich vor den Schrecken und Agonien der Welt verkrochen hatte. Diesmal aber war die Angst aus ihm selbst gewachsen.

 
17
     
    Der Raum war sybaritisch eingerichtet, und wenn auch nicht ausgesprochen arabisch, enthielt er doch mehr Ornamentik als Bildnerisches. Die Tapete war cremefarben, mit mattgoldenen, arabesken Linienmustern, die labyrinthisch verworren wirkten. Als er sich setzte, wählte Franz ein großes Kissen, das vor einer Wand lag, weil er von dieser Stelle aus die Halle, den in die hinteren Räume führenden Bogendurchgang und die Fenster im Blickfeld hatte. Silber glänzte auf zwei schwarzen Regalen neben dem Sitzkissen, und Franz’ Blick wurde für kurze Zeit gegen seinen Willen (und seine Angst) von einer Kollektion winziger Figuren angezogen, silberne Miniaturen, die junge Männer und Frauen beim Liebesspiel in den unterschiedlichsten Stellungen, zumeist perversen, darstellten – ein Stil zwischen Art Deco und pompejanisch. Unter anderen Umständen hätte er sie mehr als nur flüchtig betrachtet. Sie wirkten überaus natürlich und detailliert – und verdammt teuer. Byers stammte aus einer reichen Familie, wusste er, und produzierte alle drei oder vier Jahre einen umfangreichen Band exquisiter Gedichte und Prosa-Skizzen.
    Jetzt stellte dieser vom Glück begünstigte Mann eine dünnwandige, große Porzellantasse vor ihn hin, die zur Hälfte mit dampfend heißem Kaffee gefüllt war, außerdem eine ebenfalls dampfende Silberurne und einen Obsidian-Aschenbecher. Dann setzte er sich auf einen bequemen, tiefen Sessel, nahm einen Schluck von dem fahlgelben Wein, den er sich mitgebracht hatte, und sagte: »Sie haben mir am Telefon gesagt, dass Sie ein paar Fragen hätten. Über das Journal, das Sie Smith

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