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Herrin der Dunkelheit

Herrin der Dunkelheit

Titel: Herrin der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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Mittelteil seines ›Studentenliebchens‹ bildete. Er sollte sich jetzt mit diesem Detail seiner Recherchen befassen und versuchen, den Namen dieses Gebäudes festzustellen, falls es überhaupt einen gehabt hatte, und ob es zu jener Zeit tatsächlich ein Hotel gewesen war. Er wuchtete den dicken Band auf seinen Schoß und blätterte die leicht vergilbten Seiten um, bis er die Sektion ›Hotels‹ aufgeschlagen hatte. Zu einer anderen Zeit hätte er sich erst eine Weile mit den altväterlichen Inseraten für Patent-Medizinen und Friseur-Salons amüsiert.
    Er dachte an die hektische Suche, die er am heutigen Vormittag unternommen hatte. Sie schien ihm jetzt weit zurückzuliegen und als reichlich naiv.
    Die beste Methode war sicher, beim Durchsehen der Adressen nicht auf Geary Street zu achten (es gab wahrscheinlich eine Menge Hotels an der Geary Street), sondern auf die Hausnummer 811. Davon gab es höchstwahrscheinlich nur eine einzige in der Auflistung der Hotels. Oder gar keine. Mit dem Finger fuhr er die erste Spalte herunter, langsam aber stetig.
    Erst in der vorletzten Spalte fand er eine 811. Ja, und an der Geary Street. Der Name hinter der Adresse lautete … Rhodes Hotel.

 
25
     
    Franz stand auf dem Korridor vor der geschlossenen Tür seines Apartments. Sein Körper vibrierte – ein feiner Tremor.
    Dann fiel ihm ein, warum er hier stand. Er war auf den Korridor getreten, um die Nummer an der Tür zu überprüfen, das kleine, dunkle Rechteck mit der fahlgrauen Einprägung ›607‹. Er wollte es mit eigenen Augen sehen (und sich nebenbei von dem Fluch trennen, aus seinem Zielgebiet verschwinden).
    Er hatte das Gefühl, dass, wenn er jetzt an diese Tür klopfte, an die Clark Smith so oft geklopft haben musste, der alte Thibaut de Castries sie öffnen würde, sein eingefallenes Gesicht ein Spinnennetz feiner, grauer Falten, als ob es mit feiner Asche gepudert worden wäre.
    Wenn er ohne zu klopfen einträte, würde alles so sein, wie er es verlassen hatte. Doch wenn er vorher anklopfte, würde die alte Spinne aus ihrem Schlaf erwachen …
    Er wurde von einem leichten Schwindelgefühl gepackt; ihm war, als ob das ganze Gebäude sich zur Seite zu neigen begänne und langsam um die eigene Achse rotierte. Seine Reaktion war eine Art Erdbeben-Panik.
    Er musste sofort seine Orientierung wieder finden, sagte er sich, um nicht zusammen mit 811 umzustürzen. Er ging den dunklen Korridor entlang (die defekte Birne in der Kugellampe über der Lifttür war immer noch nicht ausgetauscht worden), an der schwarzen Tür der Besenkammer vorbei, an dem schwarzgestrichenen Fenster zum Luftschacht, dem Lift, und stieg dann leise die Treppe hinauf, wobei er sich am Geländer festhielt, um das Gleichgewicht zu bewahren. Er erreichte zwei Stockwerke höher das Ende des Treppenhauses und trat in den düsteren, schwarzen Raum, in dem unter einem Oberlicht der Liftmotor und die Relais untergebracht waren, der Grüne Zwerg und die Spinne, und dann hinaus auf das Dach, eine riesige Fläche aus in Teer gebettetem Kies.
    Die Sterne standen in ihren normalen, gewohnten Konstellationen am Himmel, wenn auch ein wenig matter im Licht des fast vollen Mondes, der fast im Zenit stand. Der Polarstern stand an seiner unveränderlichen Stelle. Ringsherum war der Horizont von bizarren, kantigen Formen zerrissen, den Wolkenkratzern und Hochhäusern, die recht dürftig mit blinkenden, roten Warnlampen bestückt waren, als ob man sich schon irgendwie bewusst geworden wäre, dass Energie gespart werden musste. Ein leichter Wind wehte aus dem Westen.
    Sein Schwindelgefühl war endlich abgeklungen, und Franz trat zum Dachrand an der Rückfront des Gebäudes, vorbei an mehreren Lüftungsschächten, die wie ummauerte, quadratische Brunnen wirkten, und mit einem wachsamen Auge für Röhren und andere Hindernisse, über die er leicht stolpern konnte, bis er an der niedrigen Balustrade stand, unterhalb derer sein Fenster und das Cals lagen. Er stützte sich mit einer Hand auf die kleine Mauer. Dicht hinter ihm befand sich der Lüftungsschacht, zu dem das schwarzgestrichene Fenster führte, das neben der Lifttür seines Stockwerks war, und das gleiche auf allen anderen Etagen. Auf diesen Lüftungsschacht, erinnerte er sich, führten auch sein Badezimmerfenster und Fenster einiger Apartments sowie eine vertikale Reihe winziger Öffnungen, die nur zu den seit langem nicht mehr benutzten Besenkammern gehören konnten und ihnen anscheinend etwas Licht gegeben

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