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Herrin der Dunkelheit

Herrin der Dunkelheit

Titel: Herrin der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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nur einen einzigen Stern unvollendet zu lassen. Sein Verstand überlegte im Gegenteil, ob es nicht noch weitere, noch geheimere Zugänge und Verstecke geben mochte als die Lüftungsschächte und die Besenkammern (es musste im Rhodes Hotel einen Speiseaufzug und einen Wäscheschacht gegeben haben und wer weiß wie viele Nebentüren und -zugänge), und es störte ihn, dass er nicht die engen Räume zwischen der Rückwand der Schränke und der Zimmerwand inspizieren konnte, und schließlich verschloss er die Türen beider Schränke und malte mit Kreide Sterne über sie – winzige Sterne auf die schmalen Leisten über den Türen …
    Er überlegte, ob er nicht noch einen Stern auf die Wand über der Couch malen sollte, an die Wand, auf deren anderer Seite die Besenkammer lag, als es hart an seine Tür klopfte. Er legte die Kette vor, ehe er sie um die zwei Zoll öffnete, die diese Sperre zuließ.

 
26
     
    Die Hälfte eines grinsenden Mundes und ein großes, braunes Auge zeigten sich in dem Spalt über der Kette, und eine Stimme sagte: »Schach?«
    Franz löste mit vor Eifer zitternden Händen die Kette und öffnete die Tür. Er war unbeschreiblich erleichtert, einen bekannten, vertrauten Menschen bei sich zu haben, doch gleichzeitig sehr enttäuscht, dass es ausgerechnet der einzige Mensch war, mit dem kaum ein Gespräch möglich war – und bestimmt nicht über das Thema, das ihn jetzt so sehr beschäftigte – doch auch wieder versöhnt, dass zumindest die Sprache des Schachspiels sie verband. Auf jeden Fall würde es ihm über ein Stück der vor ihm liegenden Zeit hinweghelfen, hoffte er.
    Fernando strahlte, als er ins Zimmer trat. Er hatte verwundert die Stirn gerunzelt, als er die vorgelegte Kette sah, und tat es wieder als Franz hastig die Tür schloss und den Schlüssel zweimal umdrehte.
    Franz bot ihm einen Drink an. Fernandos schwarze Augenbrauen fuhren in die Höhe, als er die volle, kantige Flasche sah, dann wurde sein Grinsen noch breiter, und er nickte; als Franz ihm ein kleines Weinglas voll geschenkt hatte, zögerte er Jedoch, und seine beweglichen Gesichtszüge und ausdrucksvollen Hände fragten, warum Franz nichts tränke.
    Weil es die einfachste Lösung war, goss Franz sich ein wenig von dem Kirschwasser in ein anderes Glas, das er mit den Fingern umspannte, um zu verbergen, wie winzig die Menge war, hob das Glas an den Mund und kippte es, bis die stark aromatische Flüssigkeit seine geschlossenen Lippen benetzte. Er bot Fernando einen zweiten Drink an, doch der deutete auf die Schachfiguren und dann auf seinen Kopf, den er dabei schüttelte.
    Franz setzte das Schachbrett vorsichtig auf den Haufen aufeinander geschichteter Hefte, die auf dem Kaffeetisch lagen, und setzte sich auf den Bettrand. Fernando sah etwas skeptisch auf das wackelige Arrangement, dann zuckte er die Achseln, lächelte und setzte sich Franz gegenüber auf einen Stuhl. Er zog den weißen Bauern und nachdem sie ihre Figuren aufgestellt hatten, machte er voller Selbstvertrauen den ersten Zug.
    Franz zog rasch und konzentriert. Er stellte fest, dass er fast automatisch die en garde Haltung einnahm, die er schon in der Beaver Street angewandt hatte, als er Byers zuhörte. Sein wachsamer Blick glitt ständig durch den ganzen Raum, von der Wand hinter ihm zum Kleiderschrank und zur Tür, dann über ein kleines Bücherregal zur Badezimmertür, über das große Bücherregal und den Schreibtisch, ruhte eine Weile auf dem Fenster, bevor er weiterglitt, am Aktenschrank entlang zum Heizkörper der Zentralheizung und zum anderen Ende der Wand, die hinter seinem Rücken lag – und dann wieder zurück. Er spürte einen leicht bitteren Geschmack auf seinen Lippen – das Kirschwasser.
    Fernando gewann die Partie in etwa zwanzig Zügen. Er blickte Franz ein paar Sekunden lang nachdenklich an, als ob er eine Bemerkung zu dessen schwachem Spiel machen wollte, doch dann lächelte er nur und stellte die Figuren neu auf, mit vertauschten Farben.
    Franz eröffnete mit einem gefährlichen Zug, dem Königs-Gambit. Fernando begegnete ihm mit dem Königin-Bauern. Trotz der gefährlichen Situation konnte sich Franz, wie er feststellte, nicht auf das Spiel konzentrieren. Er zermarterte sich den Kopf, was für andere Sicherheitsmaßnahmen außer seiner visuellen Wachsamkeit er noch treffen könnte. Er lauschte auf Geräusche von der Tür, von den Fenstern und Wänden. Er wünschte verzweifelt, dass Fernando wenigstens ein bisschen englisch spräche und sein

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