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Herrin der Dunkelheit

Herrin der Dunkelheit

Titel: Herrin der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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hatten. Er blickte nach Westen, zu den blinkenden Lichtern des Fernsehturms und dem unregelmäßig geformten Buckel der Corona Heights. Der Wind frischte etwas auf.
    Dies also ist das frühere Rhodes Hotel, dachte er schließlich, und ich wohne in 607 Rhodes, dem Ort, den ich überall gesucht habe, nur nicht hier. In Wirklichkeit gibt es keinerlei Geheimnis darum. Hinter mir ist die Transamerica Pyramide (5). Er blickte über die Schulter auf die dreieckige Silhouette; an ihrer Spitze blinkte ein einziges, rotes Licht, und die erleuchteten Fenster wirkten so schmal wie die Stanzungen in einer Lochkarte. Vor mir – er wandte sich wieder zurück – der Fernsehturm (4) und die gekrönte, buckelige Eminenz (1), auf der die Asche des alten Spinnenkönigs vergraben liegt, wie sie behaupten. Und ich bin am Drehpunkt (O) des Fluches.
    Als er sich das alles mit etwas Fatalismus sagte, schienen die Sterne noch matter zu werden – eine kranke Blässe anzunehmen –, und er fühlte eine dumpfe Schwere auf sich und auf allem, was um ihn herum war, als ob der auffrischende Wind etwas Bösartiges vom Westen auf dieses Dach wehte, als ob irgendeine universelle Krankheit oder kosmische Verschmutzung von den Corona Heights auf die ganze Stadt herabgeflossen und von ihr zu den Sternen aufgestiegen wäre und den Orion und den Schild infiziert hätte – als ob er mit Hilfe der Sterne die Dinge in ihre Ordnung gebracht hätte und als ob irgend etwas sich jetzt weigerte, an der ihm vorbestimmten Stelle zu bleiben, unter der Erde zu ruhen und vergessen zu werden, wie Daisys Krebs, und die Ordnung des Universums störte.
    Ein plötzliches kratzendes, knirschendes Geräusch ließ ihn herumfahren. Nichts zu sehen, jedenfalls nichts, was irgendein Geräusch verursachen konnte, und doch …
    Er trat an den nächsten Lüftungsschacht und blickte hinein. Das Licht des Mondes drang bis zu seinem Stockwerk hinab. Das kleine Fenster zur Besenkammer stand offen. Er hörte wieder ein scharrendes Geräusch, und es klang, als ob ein Tier sich anschliche, oder war es sein eigener, erregter Atem, der von den engen Wänden des Schachts widerhallte? Er glaubte, etwas zu sehen, eine Kreatur mit zu vielen Gliedern, die sich im Schacht bewegte, eilig auf und ab kroch.



Er fuhr zurück und blickte zum Himmel empor, als ob er von den Sternen Hilfe erwartete, aber sie wirkten so gleichgültig und einsam wie die weit entfernten, erleuchteten Fenster, die ein Mann sieht, der in der Weite eines Moors ermordet werden soll oder in einem Morast versinkt. Panik packte ihn, und er lief den Weg zurück, den er gekommen war. Als er durch den dunklen Raum mit der Lift-Mechanik kam, klickten die Kupfer-Schalter, und die Arme der Relais bewegten sich knirschend. Er lief noch schneller, als ob ein Spinnen-Monster an seinen Fersen klebte und auf das Kommando des gusseisernen Grünen Zwergs nach ihm schnappte.
    Er bekam sich wieder etwas in die Gewalt, als er die Treppe hinabging, doch als er seinen Korridor entlanggehend an dem schwarzüberstrichenen Fenster vorbeikam (nahe der ausgebrannten Kugellampe), hatte er das Gefühl, dass irgend etwas auf der anderen Seite lauerte, mit scharfen Krallen in die Wände des Lüftungsschachts gekrallt, eine unheimliche Kreatur, wie eine Kreuzung zwischen einem Panther und einem Spinnenaffen, jedoch so vielbeinig wie eine Spinne und vielleicht mit dem eingesunkenen, aschgrauen Gesicht von Thibaut de Castries, die jeden Augenblick durch die überstrichene Drahtglasscheibe brechen konnte. Als er an der schwarzen Tür der Besenkammer vorbeikam, fiel ihm wieder das offen stehende Fenster ein, das in den Lüftungsschacht führte. Es war groß genug für so eine Kreatur. Und die Besenkammer lag neben seinem Zimmer, hinter der Wand, an der die Couch stand. Wie viele von uns, die wir in den großen Städten leben, fragte er sich, wissen, was auf der anderen Seite der Wände unserer Wohnungen ist? – oft auf der anderen Seite der Wand, an der wir schlafen? – zum Greifen nahe, und doch so verborgen und unerreichbar wie unsere inneren Organe. Wir können nicht einmal den Wänden trauen, die uns schützen sollen.
    Die Tür der Besenkammer schien sich plötzlich nach außen zu wölben. Franz griff in die Tasche und fummelte nach seinen Schlüsseln. Einen schrecklichen Augenblick lang glaubte er, sie in seinem Apartment zurückgelassen zu haben, doch dann fand er sie, wählte den richtigen, öffnete die Tür, und als er eingetreten war, drehte er

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