Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herrin der Dunkelheit

Herrin der Dunkelheit

Titel: Herrin der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
Vom Netzwerk:
plötzlichen, unerwarteten Geräusch erschreckt worden war, sollte es bedeuten.
    Franz nickte wieder.
    Fernando wiederholte das Spiel vor der Badezimmertür und der Wand. Nachdem er dagegen geklopft hatte, starrte er Franz an und sagte: »Hay hechiceria. Hechiceria occultado en murallas.«
    Wie hatte ihm Cal das neulich übersetzt? ›Hexerei, Hexerei, in Wänden versteckt.‹ Franz erinnerte sich an seine Gedanken über geheime Türen, Luken und Gänge. Aber hatte Fernando es wörtlich oder nur im übertragenen Sinne gemeint? Franz nickte, schob aber dabei die Unterlippe vor und versuchte auch durch Gesten seiner Hände einen gewissen Zweifel auszudrücken.
    Fernando schien jetzt zum ersten Mal die mit Kreidestrichen gemalten Sterne zu bemerken. Doch das Weiß war auf dem hellen Holz wirklich schwer auszumachen. Er hob die Brauen, lächelte verständnisvoll und nickte zustimmend. Er deutete auf die Sterne und streckte dann seine Arme aus, die offenen Handflächen gegen das Fenster und die Tür gerichtet, als ob er etwas abwehren wollte – und fuhr fort, zustimmend zu nicken.
    »Bueno«, sagte er.
    Franz nickte und war verblüfft, dass seine Angst ihn dazu verleitet hatte, sich an eine so irrationale Schutzmaßnahme zu klammern, die jedoch von dem abergläubischen (?) Fernando sofort verstanden wurde: Sterne gegen Hexen. (Und es waren auch fünfzackige Sterne unter dem Graffiti auf den Corona Heights gewesen, das dazu bestimmt war, tote Knochen ruhen und Asche unter der Erde zu lassen. Byers hatte sie dort auf die Felsen gesprüht.)
    Er stand auf, trat zum Tisch und bot Fernando noch einen Drink an, doch Fernando lehnte ihn mit einer knappen, entschiedenen Handbewegung ab, trat an die Stelle, wo Franz gesessen hatte, und klopfte mit der Hand an die Wand über der Couch. Dann wandte er den Kopf, blickte Franz an und wiederholte: »Hechiceria occultado en muralla!«
    Franz blickte ihn fragend an. Doch der Peruaner neigte nur den Kopf und legte drei Finger an seine Stirn, eine Geste, die Nachdenken symbolisierte (und vielleicht dachte Fernando auch wirklich nach).
    Dann hob er mit einer Geste von plötzlicher Erkenntnis den Kopf nahm die Kreide von der Schiefertafel, die neben dem Schachbrett lag, und malte einen fünfzackigen Stern an die Wand über der Couch, größer, auffälliger und besser als alle Sterne, die Franz gemalt hatte.
    »Bueno«, sagte Fernando wieder und nickte zufrieden. Dann deutete er auf das Bett und auf die Wand, vor der er stand, und wiederholte: »Hay hechiceria en muralla«, und ging rasch zur Tür, mimte, dass er hinausginge und wieder hereinkäme, und dann blickte er Franz besorgt an und hob die Brauen, als ob er sagen wollte:
    »Glaubst du, dass alles noch in Ordnung ist, wenn ich zurückkomme?«
    Etwas verwirrt von der Pantomime und mit einem Gefühl plötzlicher Müdigkeit nickte Franz lächelnd (dachte an den Stern, den Fernando gemalt hatte, und an das Gefühl der Kameradschaft, das er ihm gegeben hatte) und sagte: »Gracias.«
    Fernando erwiderte Lächeln und Nicken, schloss die Tür auf, ging hinaus und zog die Tür hinter sich ins Schloss. Kurz darauf hörte Franz den Lift auf diesem Stockwerk halten, das Auf- und Zugleiten der Türen, und ihn dann surrend in die Tiefe sinken, als ob er in den Keller des Universums hinabglitte.

 
27
     
    Franz fühlte sich so benommen wie ein angeschlagener Boxer. Seine Augen und Ohren waren nach wie vor scharf und wachsam für die geringste Bewegung, das leiseste Geräusch, kämpften jedoch müde fast protestierend, gegen den unüberwindlichen Drang an, endlich abzuschalten. Trotz aller Schocks und Überraschungen, die dieser Tag gebracht hatte, gewann jetzt sein Abendbewußtsein (Sklave seiner Körperchemie) die Oberhand. Offensichtlich hatte Fernando irgend etwas vor – aber was? – und warum? – und würde irgendwann zurückkommen, so wie er es versprochen hatte – aber wann? – und noch einmal: warum? Im Grund genommen war es Franz nicht so wichtig. Er begann, ohne es wirklich zu wollen, etwas aufzuräumen.
    Aber kurz darauf ließ er sich mit einem erschöpften Seufzer auf der Bettkante nieder, starrte auf das unglaubliche Durcheinander übereinander geworfener Sachen auf seinem Kaffeetisch und überlegte, wo er anfangen sollte. Zuunterst lagen die ordentlich aufeinander geschichteten Seiten des Manuskripts, an dem er zur Zeit arbeitete, und das er seit zwei Tagen nicht angerührt, mit dem er sich nicht einmal in Gedanken beschäftigt

Weitere Kostenlose Bücher