Herrin der Falken - 3
Romilly, daß von keinem der Männer etwas Bedrohliches ausging. Sie führte das Pferd aus dem Versteck und blieb mit der Hand am Zügel stehen. »Nun, Junge, wer bist du, und wohin willst du?« fragte der Hagere in freundlichem Ton. Er war jünger als ihr Vater und älter als ihre Brüder. Romilly brachte die Geschichte vor, die sie sich ausgedacht hatte.
»Ich war Lehrling bei einem Falkenmeister. Ich bin in einem großen Haus aufgewachsen, aber meine Mutter war zu stolz, für mich die Rechte zu verlangen, die mir als Sohn eines Edelmannes zugestanden hätten. Jetzt will ich nach Nevarsin, um dort etwas zu lernen. Unterwegs habe ich mich leider verirrt.«
»Du hast jedoch ein Pferd und einen Mantel, einen Dolch und – wenn ich mich nicht irre – sogar einen Falken.« Die grauen Augen des Rothaarigen ruhten auf der improvisierten Sitzstange, an die Romilly die abgeschnittenen Fesseln gebunden hatte. Es war ihr in Fleisch und Blut übergegangen, niemals ein Stück Lederriemen wegzuwerfen; man konnte es immer noch für irgend etwas gebrauchen. »Hast du den Falken gestohlen? Oder wie kommt ein solcher Vogel in den Besitz eines Lehrlings? Wo steckt er übrigens?«
Romilly hob den Arm. Preciosa schoß herunter und landete. Das Mädchen erklärte heftig: »Sie gehört mir. Niemand sonst hat Anspruch auf sie, denn ich habe sie mit eigener Handtrainiert.«
»Daran ist nicht zu zweifeln«, bemerkte der Aristokrat. »Denn in dieser Wildnis, und noch dazu ohne Geschüh, könnte sie wegfliegen, wenn sie wollte. Zumindest in diesem Sinn besitzt du sie, sofern ein menschliches Wesen ein wildes Tier überhaupt besitzen kann.«
Er versteht das! Romilly spürte plötzlich eine enge Verwandtschaft mit diesem Mann, als sei er ein Bruder. Sie lächelte zu ihm hoch, und er erwiderte das Lächeln. Dann sah er zu den Männern hin, die sich auf der Lichtung versammelt hatten, und erklärte: »Wir sind ebenfalls nach Nevarsin unterwegs, obwohl wir einen Umweg machen – aus Gründen der Vorsicht. Reite mit uns, wenn du willst.«
»Dom Carlo meint«, ergänzte der Hagere, »daß es Leute gibt, die uns sehr schnell dem Henker überantworten würden, wenn wir die Hauptstraßen nähmen.«
Waren es Gesetzlose, Räuber? Rory war sie entkommen, doch war sie durch ihr Zusammentreffen mit diesen Männern vielleicht von der Falle in den Kochtopf spaziert? Der Rothaarige lächelte dem anderen Mann zu, und in seinem Blick lagen Zuneigung und Liebe. »Du stellst uns als Mörderbande hin, Orain. Wir sind landlose Männer, die den Besitz ihrer Väter eingebüßt haben, und einige von uns haben auch ihre Familien verloren. Wir haben nämlich den rechtmäßigen König statt jenes Schurken unterstützt, der Anspruch auf den Thron der Hasturs erhebt. Er hat erklärt, Gift, Strick und Messer für alle, die nicht seine Partei ergreifen, würden ihm Freunde genug gewinnen. Auch werde er Land genug haben, seine Freunde zu belohnen, wenn er jeden, der ihn mit schiefen Blicken ansehe und das Knie nicht schnell genug vor ihm beuge, töten lasse oder ins Exil schicke. Wir reiten jetzt nach Nevarsin, um dort eine Armee zusammenzuziehen. Wir werden Rakhal den Kristallpalast nicht widerstandslos überlassen! Er will ein Hastur sein?« Der Mann lachte kurz auf. »Sein Kopf soll unter dieser Krone keine Ruhe finden, solange einer von uns noch am Leben ist! Ich bin Carlo vom Blauen See, und dies ist mein Friedensmann und Freund Orain.«
Das Wort, das er für »Freund« benutzte, konnte auch Cousin oder Pflegebruder bedeuten. Romilly fiel auf, daß der hagere Orain den rothaarigen Dom Carlo mit einem Blick voller Hingabe ansah wie ein guter Hund seinen Herrn. »Aber wenn dieser Bursche ein Falkentrainer ist«, sagte Orain, »wird er Euch sicher sagen können, was Euren Kundschaftervögeln fehlt, Dom Carlo.«
Carlo musterte Romilly scharf. »Wie heißt du, Junge?«
»Rumal.«
»Deine Aussprache verrät mir, daß du nördlich des Kadarin aufgewachsen bist«, stellte er fest. »Nun, Rumal, kennst du dich mit Falken aus?«
Romilly nickte. »Das tue ich, Sir.«
»Zeig ihm die Vögel, Orain.«
Orain ging zu seinem Pferd und nahm den großen Vogel vom Sattel. Er winkte zweien der anderen Männer, die ähnliche Vögel bei sich hatten. Vorsichtig zog Orain dem Vogel die Haube vom Kopf. Er achtete darauf, außer Reichweite des Vogels zu bleiben, der mit dem Kopf ruckte und hackende Bewegungen machte, aber zum Angriff zu schlapp war. Über den Augenhöhlen standen lange
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