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Herrin der Falken

Titel: Herrin der Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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darfst du bei dieser Kälte nicht.« Er gab ihr einen Kanten hartes Brot, der reichlich mit dem Fett des Chervines bestrichen war. Romilly war so hungrig, daß sie es aufaß. Dann kaute sie die Handvoll Trockenobst. Gemeinsam versorgten sie die Pferde für die Nacht. Orain rollte seine und ihre Decke nebeneinander aus. Caryl besaß keine, deshalb hatte er immer in Romillys Armen unter ihrem Mantel geschlafen. Romilly zog die Stiefel aus und spürte einen unheilverkündenden dumpfen Schmerz im Unterleib. Heimlich rechnete sie an den Fingern nach. Ja, ihre Flucht aus Rorys Hütte war vierzig Tage her; wieder mußte sie dieses periodische Ärgernis verbergen. Verdammte Geschichte, eine Frau zu sein! Wach und immer noch zitternd lag sie zwischen Caryl und Orain und dachte ergrimmt darüber nach, wie sie das Verheimlichen in diesem Klima bewerkstelligen solle. Glücklicherweise war es so kalt, daß sich niemand im Lager auszog, und zum Schlafen häufte jeder alle Kleider und Dekken auf, die er hatte. Romilly behielt nachts nicht nur den pelzbesetzten Mantel an, den Orain ihr geschenkt hatte, sie deckte sich und Caryl auch noch mit Rorys altem zu. Sie mußte nachdenken. Lappen hatte sie keine mehr, auch keine Kleidungsstücke, aus denen sie welche hätte machen können. Es gab eine Art von dickem Moos, das überall in größeren Höhen wuchs, hier ebenso wie auf Falkenhof. Sie hatte es gesehen, aber ihm keine Beachtung geschenkt, obwohl sie wußte, daß arme Frauen, die keine Lumpen übrig hatten, es als Kinderwindeln ebenso wie für den monatlichen sanitären Bedarf benutzten. Romilly mit ihrem Sinn für Reinlichkeit scheute davor zurück. Es war jedoch leichter, Moos im Schnee zu vergraben, als Lappen auszuwaschen. Morgen wollte sie sich etwas suchen. Hier im Schneeland würde es wenigstens nicht mit Schlamm oder Staub bedeckt sein und brauchte nicht gewaschen zu werden. Wie lästig es war, eine Frau zu sein!
    In der bitteren Kälte schmiegten sie sich dicht aneinander wie Hunde, die in Gemeinschaft schlafen. Als das Lager am Morgen erwachte und Orain sich von Caryl und Romilly wegrollte, höhnte Alaric: »He, Mann, habt Ihr da eine Kinderstube für die Kleinen?« Aber Romilly fand Orains Anwesenheit tröstlich, und Caryl ging es ebenso. Er war freundlich und väterlich, und sie fürchtete sich nicht vor ihm. Sollte sie in eine Situation kommen, in der sie ihr Geheimnis enthüllen mußte, glaubte sie zuversichtlich, sich Orain ohne Gefahr anvertrauen zu können. Es mochte ihn erschrecken, daß sich in diesem rauhen Land und Klima ein Mädchen unter ihnen befand, doch er würde es ebensowenig ausnützen wie ihr eigener Vater oder ihre Brüder. Auf irgendeine Weise wußte sie, er war kein Mann, der einer Frau Gewalt antäte. Sie entfernte sich, um unbeobachtet das Nötige zu besorgen. Man hatte sie deswegen schon aufgezogen; die Männer behaupteten, sie sei prüde wie eine Frau. Aber sie schrieben es der Tatsache zu, daß sie Cristofero war. Von denen wußte man, daß sie in diesen Dingen zurückhaltend waren. Romilly war sich sicher, daß keiner der Männer einen Verdacht hegte, und Caryl, der Bescheid wußte, und Dom Carlo, der ganz bestimmt Bescheid wußte, verrieten nichts.
    Sie wollte ihr Geheimnis bewahren, so lange es ging. Wenn sie Caer Donn erreichten, war es vielleicht schwieriger als in Ne-varsin, Arbeit in einem Falkenhaus oder Pferdestall zu finden, aber nicht unmöglich, und bestimmt würde Orain oder Dom Carlo selbst ihr ein gutes Zeugnis als willige und geschickte Arbeitskraft ausstellen.
    Romilly empfand Widerwillen dagegen, Fleisch zu essen, obwohl sie wußte, daß es töricht war – in der Natur waren nun einmal bestimmte Tiere die Beute von anderen. Das Gefühl des Ekels ließ auch schon ein bißchen nach, aber immer noch zog
    sie Brei und Brot dem Fleisch vor. Carlo (ob Orain mit ihm darüber gesprochen hatte?) drängte sie nicht länger, sondern gab ihr einfach eine etwas größere Portion von den anderen Lebensmitteln. Alaric spottete einmal darüber, und Dom Carlo verbot ihm kurz den Mund. 
    »Je weniger Fleisch er bekommt, desto mehr bleibt für uns, Mann. Laß ihn essen, was er mag, und tu du ebenso! Wären alle Menschen gleich, hätte dich längst ein Banshee gefressen. Wir sind es Rumal schuldig, ihn nach seiner Art leben zu lassen.«
    Romilly schätzte, daß sie neun Tage von Nevarsin unterwegs waren, als sie einen Vogel entdeckte. Er kam von der Bergkette und kreiste hoch über ihnen.

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