Herrin der Finsternis Roman
antiquarische Lederbände. Offensichtlich stammte das Sofa mit spärlicher Polsterung unter dem burgunderroten Bezug aus der gregorianischen Ära.
Am seltsamsten fand Bride die Statuen zweier nackter Frauen zu beiden Seiten der geschwungenen Treppe. Vermutlich stellten sie römische Nymphen dar. Auf ihren steinernen weißen Brüsten klebten rote Bonbons. »Was um alles in der Welt …«
Bei diesem Anblick brach Fury in Gelächter aus.
»Heiliger Himmel, Vane, ruf doch an, bevor du hier auftauchst! Dein Glück, dass ich nicht in deinen Arsch geschossen habe!«
Bride drehte sich zu einem großen, attraktiven Mann um, der den Raum betreten hatte, mit schulterlangem schwarzem Haar, geheimnisvollen braunen Augen und einem Dreitagebart. In einem grellen orangegelben Hawaiihemd und zerrissenen Jeans nahm er eine lässige Pose ein. Trotzdem erweckte er den Eindruck, er könnte jeden töten, der ihm zu nahe kam.
»Ist das der Vampir?«, flüsterte Bride.
»Nein.« Verwundert musterte Vane den Neuankömmling. »Das ist die Mafia. Was zum Geier machst du hier, Otto? In diesem Aufzug? Du siehst aus, als hättest du dich in Nick Gautier verwandelt.«
»Wie üblich leide ich an meiner endlosen Verdammnis«, seufzte Otto, kratzte seinen Bart und schlenderte zu ihnen. »Ich wurde hierherversetzt. Gegen meinen Willen, wie ich betonen muss. Nur weil der vertrottelte Rex jemanden braucht, der Latein und Italienisch spricht. Gott bewahre, dass der Kerl einen plebejischen Knappen beschäftigt, der nur der englischen Sprache mächtig ist! O nein, es muss ein gebildeter Diener sein.« Irgendwie erinnerte seine Stimme an einen Alfred-Hitchcock-Film.
»Und warum bist du wie Nick kostümiert?«, fragte Vane.
»Nur um ihn zu ärgern. Das ist wirklich das Einzige, was in diesen Mauern meinen klaren Verstand rettet.«
Vane lachte. »Also bist du auf die Idee mit den roten Bonbons gekommen?«
»Klar, verdammt noch mal! Ich kann's kaum erwarten, bis er aufwacht und deshalb ausrastet.« Nun senkte Otto seinen ohnehin schon tiefen Bariton und fügte mit annähernd italienischem Akzent hinzu: »Wage es bloß nicht, meine Statuen zu berühren oder auch nur anzuhauchen, Knappe. Im Gegensatz zu dir sind sie äußerst wertvoll – und unbezahlbar.« Seine Stimme klang wieder normal. »O nein, sein Gesicht wird unbezahlbar sein, wenn er das heute Abend sieht.«
Auch Fury lachte. »Ich kenne Sie nicht«, sagte er und reichte Otto seine Hand. »Aber ich glaube, wir werden bald Freunde. Fury Kattalakis.«
»Otto Carvalletti.« Der schwarzhaarige Mann schüttelte ihm die Hand und schaute zwischen den beiden Wölfen hin und her. »Seid ihr verwandt?«
»Brüder«, erklärte Vane.
»Cool.« Mit einem charmanten Lächeln wandte Otto sich zu Bride. »Und Sie müssen Bride sein.« Er drückte ihr ebenfalls die Hand, dabei sah sie ein schwarzes Spinnentattoo auf seinen Fingerknöcheln. »Willkommen im Wahnsinn unserer Welt, Mylady. Allerdings finde ich persönlich, Sie müssen verrückt sein, falls Sie freiwillig hier sind.« Formvollendet verbeugte er sich und küsste ihre Hand. »Übrigens können Sie sich entspannen, Bride. Genau genommen bin ich ein Mensch, obwohl meine Geschwister das bestreiten. Und abgesehen von den Bonbons bin ich kein Psycho. Sobald Sie meinen Boss kennenlernen, werden Sie verstehen, warum ich ihn so gern erzürne.« Auf dem Weg zur Treppe fuhr er fort: »Wenn einer von euch netten Wölfen heulen würde, könnte ich die Rede von den Kindern der Nacht und ihrer speziellen Musik halten.« Als weder Vane noch Fury heulten, warf er ihnen einen traurigen Blick über die Schulter zu. »Oder auch nicht. Okay, eine neue Notiz für meinen Gehirnspeicher – Wölfe haben keinen Humor oder niemals ›Dracula‹ gelesen. Kein Problem. Folgt mir, und ich zeige euch eure Gemächer. Ein kurzer Hinweis auf die wichtigste Hausregel. Tagsüber sind wir möglichst leise, um den Grafen Penicula nicht zu wecken.«
»Penicula?«, fragte Bride.
»Meine Lieblingsbeleidigung für Valerius. Passend zu dem guten römischen General, der dieses Haus besitzt, ist das eine Kombination von Penis und Dracula.«
Beinahe hätte Bride gelacht, doch sie fürchtete, damit würde sie Otto zu weiteren unschicklichen Äußerungen ermutigen.
Sie stiegen hinter ihm die Treppe hinauf, und Vane fragte: »Seit wann bist du so geschwätzig, Carvalletti? Ich hielt dich immer für eher wortkarg.«
»Normalerweise bin ich das auch. Aber nun vegetiere ich schon so lange
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