Herrin der Lüge
jegliche Bezahlung passieren lasse.«
Jorinde. War das die Gestalt auf der Balustrade gewesen?
Saga überlegte, ob es eine Möglic hkeit gab, den Lügengeist gegen Achard einzusetzen. Aber was hätte sie ihn glauben machen können, an das er glauben wollte? Ihr fiel keine Lüge ein, die in seinem Interesse war. Dass für ihn kein persönlicher Vorteil heraussprang, wenn er den Kreuzfahrerinnen Zugang zur Schlucht gewährte, stand außer Frage, und sie konnte ihm unmöglich einen vorgaukeln.
Achard nahm einen Zug aus seinem Bierkrug, wischte sich Schaum aus dem Bart und beugte sich mit einem Ruck über die Tafel. »Es gäbe vielleicht eine Möglichkeit, wie wir handelseinig werden könnten«, sagte er. »Vorausgesetzt, ich könnte Euch überreden, mir einen Gefallen zu tun.«
»Einen Gefallen?« Zinders Augenbraue war fast bis zum Haaransatz hochgerutscht. Betrug lag in der Luft, und jeder im Saal konnte ihn wittern.
Achards Blick wurde eisig, als er den Söldnerführer ansah. »Seid Ihr der Wortführer – oder diese Dame?«
Zinder wollte auffahren, doch Violantes schlanke Finger auf seinem Unterarm hielten ihn zurück. »Sagt, um was es Euch geht, Achard, und meine Berater und ich werden darüber nachdenken.«
Der Burgherr lehnte sich träge zurück und legte das rechte Bein über die Armlehne seines Fellthrons. »So kommen wir also ins Geschäft … Ihr müsst wissen, dass mein Weib Jorinde eine Frau von höchster Gläubigkeit und Gottergebenheit ist. Sie kennt ihren Gott und dient ihm vorbehaltlos.« Ein feines Schmunzeln zog Falten durch die vernarbte Haut um seine Augen. »Tatsächlich steht Jorinde Euch an Begeisterung für die Sache des Herrn nicht nach, und ich weiß, dass es ihr größter Wunsch wäre, sich Euch anzuschließen.«
»So?« Violante gab sich keine Mühe, ihren Argwohn zu überspielen. »Wo ist sie? Wenn sie mit uns ziehen will, steht dem nichts im Wege.«
»Nun«, sagte Achard langsam, »sie ist hin- und hergerissen zwischen dem brennenden Wunsch, mit der Magdalena« – er nickte in Sagas Richtung – »ins Heilige Land zu ziehen, und der Liebe einer Mutter für ihren Sohn, den sie nicht verlassen will. Ihre Entschlusskraft ist, sagen wir, nicht die allergrößte.«
»Kinder können uns nicht begleiten«, sagte Violante.
»Natürlich nicht.« Der Ritter massierte sein bärtiges Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger. »Darum braucht es womöglich ein wenig Überzeugungsarbeit, um Jorinde zu ihrem Glück im Schöße des Herrn zu führen.«
Zinder und Violante wechselten einen Blick. »Ihr verlangt von uns«, sagte die Gräfin voller Abscheu, »dass wir Eure Gemahlin gegen ihren Willen mitnehmen?«
Heuchlerin!, dachte Saga. Solche Skrupel hattest du nicht, als es um meinen Willen ging, nicht wahr?
Achard verschränkte zufrieden die Finger. »Euch sollte klar sein, dass es keinen Grund zur Feilscherei gäbe, wäre meine geliebte Frau an Eurer Seite. Ich würde es mir nicht nehmen lassen, zu ihrer und Eurer Sicherheit meine besten Führer bereitzustellen. Und selbstverständlich würde ich von meinem Weib und seinen Begleitern keine Bezahlung annehmen.«
Zinder kaute auf der Unterlippe. Es war offensichtlich, dass er Achard am liebsten an die Kehle gegangen wäre.
»Wir werden darüber nachdenken«, sagte Violante und erhob sich.
Achards Miene verriet, dass er sich als Sieger dieser Verhandlungen wähnte. »Für heute Nacht steht Euch eines meiner Gastzimmer zur Verfügung, Gräfin … Nur Euch, fürchte ich«, fügte er mit einem Seitenblick auf Saga und die anderen hinzu.
»Nicht nötig«, entgegnete Violante eisig. »Ich ziehe es vor, im Lager vor Eurem Tor zu übernachten.«
»Ganz wie Ihr wünscht.«
Sie gingen zur Tür, wo die Söldnereskorte sie erwartete., Achard blieb sitzen. Als Saga über die Schulter zurücksah, trafen sich ihre Blicke. Es überraschte sie, dass das breite Grinsen von seinen Zügen verschwunden war und er ihnen ernst und nachdenklich hinterherschaute.
Draußen flüsterte Zinder zur Gräfin: »Ich hoffe, Ihr wisst, auf was Ihr Euch da einlasst.«
»Noch habe ich keine Entscheidung getroffen.«
»Als bestünde darüber irgendein Zweifel.«
Sie ging an ihm vorbei und setzte sich an die Spitze. »Ihr vergesst Euch, Söldner.«
Einen Moment lang sah es aus, als würde Zinder diesen Affront schlucken wie so viele andere zuvor. Dann aber schnellte seine Hand nach vorn, packte die Gräfin an der Schulter und riss sie herum. Saga erstarrte.
»Was glaubt
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