Herrin der Lüge
einem splitternden Laut in einen Baum am rechten Wegrand.
Mehrere Atemzüge lang herrschte Chaos. Die Krieger zügelten ihre Pferde, die hinteren stießen gegen die vorderen, und es dauerte weitere Sekunden, bis endlich allen klar wurde, was geschehen war.
Ein dritter Armbrustbolzen hob einen der vier Männer hinter Faun und Tiessa aus dem Sattel. Der erste, der getroffen worden war, hing leblos über der Mähne seines Tieres; ein daumendicker Eisenschaft ragte aus seinem Hinterkopf. Jener aber, der vom Rücken seines Rosses gerissen worden war, blieb im Steigbügel hängen, stürzte zwischen die Pferde und wurde über den Boden geschleift. Dafür war auf dem schmalen Weg kaum Platz, und so stieg eines der anderen Tiere unter schrillem Wiehern auf die Hinterläufe.
Alle brüllten jetzt durcheinander. Jeder wollte am anderen vorbei, da die Gegner sich von hinten näherten. Mit ihren Armbrüsten töteten die Angreifer einen weiteren Mann, ehe Faun, Tiessa und die übrigen drei ihre Tiere so weit unter Kontrolle hatten, dass sie losgaloppieren konnten.
»Das sind siel«, keuchte Tiessa.
Faun nickte. Hinter ihnen auf dem Weg blitzte Eisen, noch zu weit entfernt, um die Klingen der Gerüsteten fürchten zu müssen. Vier Bolzen waren verschossen worden. Um weitere einzulegen blieb keine Zeit, schon gar nicht auf dem schwankenden Rücken der Pferde. Der nächste Blutzoll würde mit Schwerten eingetrieben werden, im Kampf Mann gegen Mann.
Doch darauf schienen Achards Männer keinen Wert zu legen. Statt sich den Angreifern zu stellen, hetzten sie ihre Pferde den Berg hinauf, vorbei an einem hektisch gestikulierenden Wachtposten. Der Mann stand unschlüssig da, legte dann einen Pfeil an die Bogensehne und schoss auf die Verfolger. Ein Schrei ertönte, und obgleich Faun nicht erkennen konnte, wer getroffen worden war, verspürte er Genugtuung. Tiessa trat ihrem Ross noch kräftiger in die Seiten. Von oben ertönte ein Kreischen dann senkte sich der Falke aus dem grauen Himmel herab und schoss graziös vor ihnen her.
Einer von Achards Männern war jetzt noch hinter ihnen, zwei an der Spitze des Trupps. Faun und Tiessa waren in der Mitte gefangen, konnten weder schneller noch langsamer den Pfad hinaufgaloppieren. Dabei kam ihnen zugute, dass die anderen die Strecke kannten; ihre eigenen Pferde folgten denen der Krieger, bogen um heimtückische Kehren und entgingen verborgenen Abgründen.
Ein zweiter Schrei ertönte, diesmal der des Wächters. Die Verfolger hatten ihn erreicht und für den Pfeilschuss teuer bezahlen lassen.
In einem Wirbel aus Hufen, wehenden Mähnen und ausgerissenem Gras preschten die Rösser zwischen den Bäumen hinaus auf ein Plateau. Hoch Rialt tauchte hinter Zweigen auf und verhieß mit einem Mal nicht mehr Gefahr, sondern Sicherheit.
Sturm kreischte, flog vor dem Burgtor eine enge Kurve und verschwand zwischen den Bäumen. Oben auf den Zinnen brüllten Männer durcheinander, als sie bemerkten, was weit unter ihnen vor sich ging.
»Das Tor zu!«, rief der Anführer des Trupps, als sie in den Hof galoppierten. »Macht das verdammte Tor zu! Und schießt die Schweine von ihren Pferden!«
Die Wachtposten am Tor reagierten rasch. Mit breiten Schultern warfen sie sich gegen die eisenbeschlagenen Holzflügel. Zwei hoben gemeinsam einen mächtigen Balken in Aufhängungen, der das Burgtor hinter Faun, Tiessa und den anderen sicher verschloss.
»Was ist hier los?«, rief jemand, während Männer herbeigelaufen kamen und nach dem Zaumzeug der Pferde griffen. Die Tiere tänzelten aufgeregt auf der Stelle. Tiessa glitt aus dem Sattel und stellte sich mit dem Rücken gegen die Holzwand eines Schuppens. Ihr Bündel mit der Puppe presste sie fest an die Brust, die Augen weit aufgerissen. Ihr Atem jagte.
Faun kletterte unbeholfener vom Pferde, schwankte, als er wieder festen Boden unter den Füßen spürte, und stolperte zu Tiessa hinüber.
Die Stimme ertönte erneut, diesmal näher. »Was, bei allen Hunden der Hölle, geht hier vor?«
Der Anführer straffte sich und stapfte mit klirrendem Rüstzeug auf den langhaarigen Mann zu, der am Ende einer Holztreppe erschienen war. Das unebene Fels- und Grasgelände im Inneren der Festungsanlage war übersät mit solchen Stiegen und in Stein gehauenen Stufen. Über vielen Erhebungen tauchten weitere Männer auf, die meisten mit blankgezogenen Waffen.
»Wir sind angegriffen worden«, rief der Anführer dem Mann mit der wilden Mähne zu. Der Burgherr trug lederne
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