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Herrin der Lüge

Herrin der Lüge

Titel: Herrin der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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nichts vom Kreuzzug der Magdalena wissen, aber kennst du einen besseren Weg, unerkannt von hier fortzugehen? Als ich davon gehört habe, dachte ich, ich könne einfach in der Menge untertauchen und mit ihr nach Osten segeln, in die Kreuzfahrerstaaten von Antiochia oder Zypern. Vielleicht bin ich dort in Sicherheit.«
    Er schüttelte den Kopf. »Warum hast du mir das alles erzählt?«
    Ihr Gesicht entspannte sich. Abermals senkte sie den Blick. »Weil du dein Leben aufs Spiel setzt, wenn du weiter mit mir reist.«
    »Tue ich das nicht schon die ganze Zeit?«
    »Ich glaube, dass uns die vier bald einholen werden.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Sturm«, sagte sie. »Er benimmt sich seltsam. Fliegt tiefer als sonst und kommt öfter zu mir, so als würde ihn etwas beunruhigen. Dafür kann es eigentlich nur einen Grund geben.«
    »Vielleicht machen ihn die Geister der Via Mala nervös.«
    »Das ist nicht witzig.«
    »Nein«, gab er zu, »ist es nicht.« Er deutete auf das Pergament. »Steck es wieder ein. Ich kann es nicht lesen. Mag sein, dass alles wahr ist. Mag auch sein, dass nicht.«
    Sie gab keine Antwort. In ihrem Blick war keine Empörung. Vielleicht ein verhaltenes Schuldbekenntnis. Er wusste es nicht, und es war ihm egal. Oder, nein, nicht egal – aber er konnte ohnehin nichts daran ändern. Fast wäre es ihm lieber gewesen, sie hätte die Existenz des Pergaments für sich behalten. Nun gab es ein Problem mehr, über das er sich Sorgen machen musste.
    »Steck es zurück in deine Puppe«, sagte er. »Und dann lass uns schlafen gehen. Wir brechen morgen früh auf.«
    Sie rollte das Dokument zusammen und ließ es im Inneren der Puppe verschwinden. Mit einem geübten Handgriff steckte sie den Kopf wieder auf und schob den Keil zwischen die geschnitzten Schultern.
    Faun streifte die Stiefel ab und sank zurück auf die Strohmatratze. Er versuchte sich zu konzentrieren. Ihre Geschichte zu überdenken und sich darüber klar zu werden, ob er ihr vertraute. Etwas daran stimmte nicht. Irgendetwas verschwieg sie ihm.
    Tiessa hob das Bündel aus ihrem Schoß, erhob sich mit schimmernden Gliedern und zog die tropfnasse Hose aus dem Bottich.

Die Felsenburg
     
    Im Morgengrauen packten Faun und Tiessa ihre Habseligkeiten zusammen und stiegen die knarrende Treppe hinab in den Schankraum. Eine Magd war dabei, das schmutzige Stroh vom Boden auszukehren. Durch ein Seitenfenster schaufelte ein Knecht frisches herein. Ein magerer Kater leckte getrocknete Bierränder von den Holztafeln.
    »Können wir etwas Brot kaufen?«, fragte Faun das Mädchen mit dem Besen. »Oder Obst?«
    Sie zuckte die Achseln, deutete zu einer Tür, die in die Küche führte, und widmete sich wieder ihrer Arbeit. Faun hatte gehofft, nicht mit dem Wirt verhandeln zu müssen – der Kerl war ein Geldschneider und Geizkragen –, und er war drauf und dran, alle Hoffnung auf Wegzehrung aufzugeben, als Tiessa ihn anstieß und zum offenen Eingang zeigte.
    Vor dem Gasthaus waren mehrere Reiter aufgetaucht. Einer sprang aus dem Sattel und betrat das Wirtshaus. Sie erkannten ihn beide: Es war einer jener Männer, die am Abend im Schankraum gesessen hatten.
    »Ihr da!«, sagte er und zeigte mit einer ungewaschenen Pranke auf Faun und Tiessa. Fauns Blick huschte zum Fenster, durch das der Knecht noch immer Stroh schaufelte. Wenn sie schnell genug waren, konnten sie vielleicht –
    »Der ehrenwerte Ritter von Rialt will euch sehen«, sagte der Mann, zog die Nase hoch, atmete geräuschvoll aus und ein und schnaubte dann herzhaft in die bloße Hand. Den Schleim schleuderte er der Magd vor den Besen. Das Mädchen starrte angewidert darauf, sagte aber nichts. Sie hielt sich mit beiden Hände am Besenstiel fest, als wollte sie sich dahinter verstecken.
    »Uns?«, fragte Faun. Tiessa war neben ihm stocksteif g worden. Ihm war, als hörte er ihr Herz hämmern. Sein eigen schlug kaum langsamer.
    »Seh keinen anderen hier, den ich meinen könnte«, erwiderte der Mann. Er hatte zerzaustes braunes Haar und einen Leberfleck auf der linken Wange. »Kommt jetzt!«
    »Was kann der hohe Herr wohl von uns wollen?«, erkundigt«! sich Faun.
    »Piss dir nicht in die Stiefel«, entgegnete der Soldat. »Es gib was zu feiern, deshalb veranstaltet der Herr heute Abend Fest, und es ist knapp bestellt mit Musik und Tanz auf Hoc Rialt. Ihr beiden Hübschen werdet für uns aufspielen.«
    Faun und Tiessa wechselten einen Blick.
    »Aufspielen?«, fragte Faun.
    »Tanzen?«, fragte Tiessa.
    Der

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