Herrin der Lüge
Soldat grinste. »Ich und meine Kameraden, wir habe euch empfohlen. Habt uns euer Glück zu verdanken. Könnt froh sein, dass wir keinen Anteil von eurem Lohn verlangen.«
»Dafür sind wir sehr dankbar«, sagte Faun mit dünner Stirn.
»Recht so«, gab der Kerl zurück. »Und nun kommt. H Achard will euch sehen, und er wartet nicht gern.« Er drehte sich um und wollte den Gasthof verlassen. Dann fiel ihm etwas ein und er blickte noch einmal zurück. »Ihr kennt nicht’ vielleicht noch ’n paar von eurer Sorte in der Nähe? Ein paar Weibsbild wären nicht schlecht.«
Tiessa war jetzt so blass, dass Faun schon fürchtete, sie könnte zusammenbrechen. »Nein, bestimmt nicht«, stammelte er eilig. »Keine Weibsbilder.« Dann fiel ihm etwas ein: »Ich ha gehört, es gab erst vor kurzem eine ganze Menge davon hier der Gegend.«
Der Soldat nickte mit düsterer Miene. »Nicht anrühren durften wir die. Stell sich das einer vor. Alles Jungfrauen, hat’s geheißen. Und nich’ anfassen, nicht eine einzige. Deshalb sind ja alle ganz wild darauf, dass ’n paar Weiber von anderem Schlag auf die Burg kommen.« Er zwinkerte Tiessa zu, die sich mit einer Hand an der Tischkante abstützte.
»Nun los«, kommandierte der Mann im Hinausgehen. »Euer Schaden wird’s nicht sein.«
Der Weg führte in weiten Kurven an der linken Flanke des Felskegels hinauf. Das Plateau, auf dem Hoch Rialt über die Via Mala wachte, lag höher, als es von weitem den Anschein gehabt hatte. Vor dem Hintergrund des mächtigen Gipfelpanoramas hatten Burg und Fels vergleichsweise klein und gedrungen gewirkt. Vom Weg aus aber, der an dem steilen, dicht bewaldeten Hang hinaufführte, bot sich ein anderer Anblick. Mit einem Mal wirkte Hoch Rialt allein durch seine Lage unbezwingbar.
Die Männer, die sie begleiteten, wirkten nicht besonders glücklich, schon so früh am Morgen im Sattel sitzen zu müssen. Abgesehen von der einen oder anderen Bemerkung in Tiessas Richtung blieben sie schweigsam und grimmig. Alle sechs waren schwer bewaffnet, mit Langschwertern und Äxten, manche auch mit eisernen Streitkolben, die in Schlaufen an ihren Sätteln hingen und gegen die Flanken der Pferde scheuerten. Nebel dampfte zwischen Tannen und Eichen empor. Die Männer hatten sich Fellumhänge über die Schultern geworfen, die sie noch mehr wie struppige, schmutzige Raubtiere aussehen ließen.
Faun hatte keinen Zweifel, dass ein Entkommen ausgeschlossen war. Er und Tiessa mochten die schnelleren Pferde besitzen – mehr als ein neidischer Blick hatte sie beim Aufbruch getroffen –, doch sie kannten das tückische Gelände nicht und hatten keine Ahnung, ob noch weitere Krieger im Unterholz wachten.
Der Pfad zur Burg hinauf war schmal. Je höher sie kamen, desto deutlicher wurde, dass erst kürzlich zu beiden Seiten des Weges jemand mit Beilen das Unterholz ausgedünnt hatte, um Zelte aufzuschlagen. Die Kreuzfahrerinnen mussten hier gelagert haben. Faun machte sich bewusst, dass Saga erst vor kurzem diesen Weg benutzt hatte, ein einfaches Gauklermädchen in der Rolle einer Heiligen. Der Gedanke ließ ihn niedergeschlagen den Kopf schütteln.
»Was ist?«, fragte Tiessa. Ihre Stimme klang noch genauso belegt wie vorhin im Gasthof, auch die Farbe war nicht in ihr Gesicht zurückgekehrt.
»Nichts, schon gut.« Er klopfte auf die Flöte, die er wie einen Dolch in einer ledernen Scheide am Gürtel trug. »Wir werden uns ziemlich ins Zeug legen müssen.«
Die beiden Reiter hinter ihnen lachten leise, aber als Faun sich zu ihnen umsah, grinsten sie ihn nur wortlos an. Einer hatte keine Zähne mehr.
»Wir haben uns gefragt, wie weit es noch ist«, rief Tiessa nach vorn zum Anführer des Trupps. Der Schweif seines Pferdes sah aus, als wäre er einmal in Brand geraten.
»Die halbe Strecke haben wir«, antwortete der Mann. »Bald kommen die ersten Posten.«
Ein stumpfer Aufprall ertönte, gefolgt von einem Keuchen. Eines der Pferde in ihrem Rücken stieß ein Wiehern aus. Das rhythmische Hufgetrappel geriet aus dem Takt, und ein zweiter Mann schrie auf, als sein eigenes Ross beinahe über den Wegrand hinaus in den Abgrund gedrängt wurde. Auf der linken Seite des Pfades klaffte eine tiefe Senke, an deren Grund dichter Tann wuchs; die Baumwipfel endeten nur wenige Schritt unterhalb des Weges und lagen reglos da wie ein dunkelgrüner Bergsee.
»Tiessa!«, schrie Faun. »Pass auf!«
Etwas verfehlte einen der hinteren Reiter, sauste über die beiden hinweg und schlug mit
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