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Herrin der Lüge

Herrin der Lüge

Titel: Herrin der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Griff und glaubte im ersten Moment, die Luke sei verriegelt. Aber sie war nur schwerer, als er erwartet hatte. Wenn jetzt die Scharniere quietschten, waren sie verloren. Doch das Eisen war gefettet, der Lukenflügel ließ sich geräuschlos anheben.
    Wieder sah er zu dem Piraten. Der Mann bewegte sich, als sein Blick den Ankömmlingen folgte. In der Richtung, in die er jetzt sah, lag der Steg. Sekunden später erklangen Schritte auf dem schwankenden Holz. Viele Stimmen redeten durcheinander.
    Tiessa sauste heran und kroch durch den niedrigen Spalt. Rückwärts tastete sie mit den Füßen nach Leitersprossen und kletterte hinab in die Schwärze. Faun drehte sich, musste dabei umständlich die Luke nach oben halten und zugleich darunter hindurchschlüpfen.
    Ein letzter Blick zu dem Piraten. Der hatte sich jetzt so weit umgewandt, dass Faun sein Profil sehen konnte. Die Nase des Mannes war mehrfach gebrochen und bucklig verheilt.
    Mit einer Hand hielt Faun die Luke, mit der anderen suchte er h Halt an der Leiter. Weiter unten flüsterte Tiessa etwas, das nicht verstand. Das Blut pochte in seinen Ohren. Fast wäre auf den Leitersprossen abgerutscht, weil der Lukendeckel so schwer von oben auf ihn niederdrückte.
    Der Pirat drehte sich um, sah aber nicht in Fauns Richtung, sondern ging den anderen entgegen.
    Faun schloss die Luke. Schlagartig wurde auch der letzte Lichtschimmer abgeschnitten. Um sie war vollkommene Finsternis.
    »Ich bin unten«, flüsterte Tiessa.
    Es war gut, dass sie das sagte, denn er hatte das Gefühl, als läge unter ihm ein bodenloser Abgrund. Es roch muffig, wie feuchtes Stroh oder moderige Stoffballen, und die Wärme des Tages hatte sich aufgestaut und konnte nur langsam entweichen. Bestimmt waren die Wände mit Teer ausgekleidet. Selbst bei Tageslicht würde es hier sehr dunkel sein.
    Er erreichte den Fuß der Treppe. Nie zuvor war er an Bord eines Schiffes gewesen, und jetzt erschreckte ihn die Tiefe dieser Höhle im Herzen der Galeere. Möglicherweise kam ihm der Abstieg aber auch nur so lang vor, denn unter ihnen musste es noch einen weiteren Hohlraum geben, sonst hätte der Boden – wie der Rumpf – zur Mitte hin schräg zulaufen müssen.
    »Bist du sicher, dass das hier keine Mannschaftsunterkünfte sind?«, fragte er leise.
    Tiessa gab nicht gleich Antwort. Im Dunkeln tastete sie nach seiner Hand und zog ihn zaghaft mit sich, bis sie eine Wand erreichten. War das schon der Rumpf? Unter seinen Fingerspitzen fühlte er Holz und getrockneten Teer.
    »Ja«, sagte sie, »das hier ist ein Laderaum. Die Unterkünfte sind niedriger, weil die Seeleute tagsüber ihre Lager zusammenrollen und an einem Haken unter die Decke hängen. Dafür wäre der hier viel zu hoch.«
    Hand in Hand erkundeten sie die Ausmaße des Laderaums und stießen mehrfach gegen gestapelte Kisten und Fässer d’ mit Stricken zusammengezurrt und gesichert waren. Falls jemand hier herunterkam, gab es wenigstens Deckung, hinter d sie sich verstecken konnten. Er fragte sich, ob er sich nicht et was vormachte und man sie nicht früher oder später auf jeden Fall entdecken würde. Sie brauchten Wasser und etwas zu essen und sie mussten irgendwo ihre Notdurft verrichten; zumindest würden sie das bei der Dunkelheit nicht vor den Augen des anderen tun müssen. Dennoch bereitete ihm der Gedanke Unbehagen.
    Schließlich hatten sie die Maße des Raumes durch Tasten und Abgehen einigermaßen erfasst. Sie fanden einen Stapel aus Fässern und Truhen, der ihnen als Versteck dienen konnte, und machten es sich dahinter leidlich bequem. Eng aneinander gerückt saßen sie da, eingepfercht zwischen Ladung und Bordwand. Tiessa lehnte ihren Kopf an Fauns Schulter.
    Hoch über ihnen redeten dumpfe Stimmen durcheinander. Füße scharrten über Decksplanken. Türen oder Luken wurde aufgeworfen und wieder geschlossen.
    »Tut mir leid«, sagte sie, »dass ich uns das eingebrockt habe.«
    »Ich bin freiwillig mitgekommen.«
    Ihre Hand tastete in der Schwärze sanft nach seinem Hinterkopf, ihr ganzer Körper bewegte sich, dann spürte er endlich ihre Lippen, ihre tastende Zungespitze, ihre bebende Haut an seiner.
    Kurz schoss ihm durch den Kopf, dass das hier wohl nicht der richtige Zeitpunkt und schon gar nicht der richtige Ort dafür war, aber dann dachte er nichts mehr.
    Seine Finger suchten die Bänder, die ihr Wams zusammenhielten, spielten erst damit, warteten, wie sie reagierte. Als sie sich nicht wehrte, öffnete er die Schlaufen am Rücken, das

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