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Herrin der Lüge

Herrin der Lüge

Titel: Herrin der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Wams klaffte auf und glitt an ihren Armen entlang auf ihn zu. Sie lächelte, jedenfalls erahnte er das im Dunkel des Laderaums, schüttelte das Hemd ab und warf einen letzten sichernden Blick zur Luke hinauf. Dann presste sie ihn zurück auf den Rücken, stützte sich mit nacktem Oberkörper auf ihn und ließ die Fingerspitzen über seine Brust tanzen. Sie fand die Knöpfe seines Wamses und ließ sie in Windeseile aufspringen.
    Seine Hände wanderten an ihren Armen hinauf, strichen von den Schultern wieder abwärts zu ihren kleinen Brüsten, berührten ganz sachte die hellen Warzen, die sich in der Düsternis nicht vom Rest ihrer Haut abhoben. Ein leiser atemloser Laut kam über ihre Lippen. Sie beugte sich vor und küsste ihn wieder noch heftiger diesmal. Ihre Hand schob sich zwischen ihre Körper, hinab zu seiner Hüfte. Er schloss für einen Moment die Augen, versuchte auf das Geschehen an Deck zu lauschen und hörte doch nichts als seinen eigenen Pulsschlag, das Rauschen des Bluts in seinen Schläfen.
    Schließlich lagen sie nackt beieinander, geschützt von den Kisten des Laderaums, auf harten Planken, ohne zu bemerken, dass sie sich am groben Holz die Haut aufschürften. Die Zeit schien verlangsamt, die Außenwelt zerfiel wie Salzkristalle in Wasser. Nur sie waren noch da, die Kühle ihrer Haut, der glitzernde Schweiß auf ihren Leibern, Tiessas Atem, der eins wurde mit seinem eigenen. Als er in sie eindrang, flüsterte sie etwas in sein Ohr, das er nicht verstand und von dem er doch wusste, was es bedeutete. Insgeheim hatte er seit einer Ewigkeit gespürt, was er für sie empfand, und es war schön zu wissen, dass sie genauso für ihn fühlte. Erleichterung überkam ihn, dann Verlangen, dann Leidenschaft.
    Tiessa atmete heftiger, aber ihre Augen blieben weit geöffnet. Darin stand ein Lächeln, leuchtend wie Tränen.
    Hohles Rauschen und Knarren erfüllte die Dunkelheit des Laderaums, gedämpft vom Wasser zu beiden Seiten der Bordwände. Dazu ertönten vom Deck Gebrüll und dumpfe Paukenschläge.
    Die Bewegungen der Ruder unter der Oberfläche klangen w’ fauchende Sturmwindstöße.
    »Guten Morgen!«, sagte Tiessa.
    Faun war vom heftigen Schaukeln des Bodens erwacht nur halb angezogen, und im ersten Moment wusste er nicht, wo er war. Sie beugte sich über ihn und gab ihm einen Kuss.
    Als Faun ihre Lippen auf seinen fühlte, kehrte die vergangene Nacht zurück. »Alles in Ordnung?«, fragte er nach einer langen Weile sanft und fuhr mit den Fingern die Linie ihrer Wange nach.
    »Abgesehen von dem hier?« Sie deutete in die Düsternis des Laderaums, aber ihre Stimme blieb ruhig. »Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil es mir zu gut geht. Das sollte nicht so sein oder? Wir beide, ich meine … hier.«
    Er lächelte und zog sie an sich. Sie versteifte sich in seiner Umarmung. Erschrocken sah er sie an. »Tut mir leid«, sagte er unsicher, »wenn ich irgendwie –«
    »Ich wollte es dir eigentlich nicht sagen«, unterbrach sie ihn. »Aber unter meinem Stiefel klebt Blut.«
    Faun erkannte im Dunkeln nur eine Ahnung ihrer schlanken Beine, erst recht keine Stiefel.
    »Bist du sicher?«
    »Ich hab’s vorhin gemerkt.« Sie hielt ihm die Fingerspitzen ihrer linken Hand hin. Da mochte etwas sein, oder auch nicht. Es war einfach zu dunkel. »Sie werden die Spuren bemerken.«
    »Werden sie nicht. Wahrscheinlich sind noch viel mehr von denen durch das Blut gelaufen. Das Deck ist bestimmt voller Spuren.«
    »Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.« Sie sah ihn fest an. »Verstehst du: Wir wissen es nicht.«
    Da begriff er, was in ihr vorging. Es war nicht allein die Möglichkeit, dass man sie finden würde; dafür war die Sache mit dem Blut viel zu vage. Hinter ihrer Sorge steckte vielmehr die Furcht, dass sie die Schuld daran tragen könnte. Die Schuld daran, dass ihm etwas zustoßen könnte.
    »Wirklich«, sagte er sachte, »mach dir deswegen keine Sorge. Keiner wird etwas merken. Wahrscheinlich klebt am Deck eines solchen Schiffes ständig Blut. Ich meine, das sind Piraten und … und Barbaren!«
    Sie wurde ein wenig ruhiger, aber er spürte, dass ihre Sorge längst nicht besänftigt war. Zumal sie beide wussten, dass bald eine andere hinzukommen würde: Sie brauchten Trinkwasser. Hin Fladen Brot steckte noch in Tiessas Bündel, das würde ihnen zwei, drei Tage über den schlimmsten Hunger hinweghelfen. Doch an Wasser hatten sie bei ihrem überstürzten Aufbruch nicht gedacht.
    Wie auch an all das andere, was ihnen auf

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