Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herrin der Lüge

Herrin der Lüge

Titel: Herrin der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
Kante der Brücke, fand im letzten Moment Halt und stand wieder gerade. Tiessa beugte sich vor, angespannt, aber erstaunlich beherrscht, streichelte den Hals des Rappen und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Faun stieß den Atem aus und vergaß, dass es ihm mit seinem Pferd schon im nächsten Augenblick genauso ergehen mochte. Doch als nähme es sich ein Beispiel an Tiessas Rappen wurde auch sein eigenes Tier ein wenig ruhiger, gab sich nicht mehr gar so störrisch wie zuvor und stakste weiter über die Brücke.
    Hinter Faun brach das Gebet des Johanniters ab.
    Im ersten Moment bemerkte er es kaum. Dann vernahm er einen gedämpften Ausruf. Gleich darauf stiegen rechts und links der Brücke fingerdünne Staubfahnen auf, so als wäre etwas von oben auf die Oberfläche herabgeregnet.
    Der Pfeil in seinem Bein meldete sich mit noch größerem Zerren und Reißen zurück, als wollte er die Geschosse begrüßen, die jetzt rund um sie in die Brücke und den Staubfluss schlugen. Ein weiterer Johanniter brüllte, aber Faun wagte nicht zurückzuschauen, beugte sich nur tiefer und enger über sein Pferd, als ob sie das beide irgendwie schützen könnte. Er wusste nicht, ob der betende Johanniter tödlich getroffen war, hörte aber plötzlich ein panisches Wiehern. Dann schüttelte sich die ganze Brücke mit einem Mal so heftig, dass sie alle fast durch die Halteseile in die Tiefe geschleudert wurden.
    Als er endlich wieder zurückblicken konnte, war hinter ihm nur noch ein einzelner Reiter. Staub wölkte rund um die Brücke empor, brannte in den Augen und nahm Faun die Luft. Unter und neben sich hörte er panische Schreie, vermischt mit Lauten, die wie Strampeln und Schläge im Sand klangen.
    »Weiter!«, schrie der Johanniter ihn an. »Um Gottes willen, beeil dich!«
    Faun trat seinem Pferd in die Flanken, ungeachtet des schwankenden Untergrunds und der Spalten zwischen den Brückenbrettern. Er wollte nur noch fort von hier, hinter Tiessa auf die andere Seite.
    Die Staubwolke der abgestürzten Reiter und Pferde blieb zurück, verwehrte aber zugleich den Seldschuken die Sicht auf ihre Beute. Einmal mehr glaubte Faun im Dunkeln das Surren von Pfeilen zu hören, aber keiner traf ihn oder schlug auch nur in seiner Nähe ein. Vor sich sah er das andere Ufer des Basaltstroms, sah die Johanniter, die es bereits erreicht hatten und sich jetzt offenbar teilten. Die größere Gruppe galoppierte voraus, tiefer in die Einöde hinein gen Westen; die anderen versammelten sich um das Ende der Brücke und warteten mit gezogenen Schwertern auf die Nachzügler. Zinder war unter ihnen, sogar Karmesin, die trotz ihrer Erschöpfung eine Klinge ergriffen hatte. Faun erinnerte sich an Tiessas harmlose Handbewegung von vorhin, und nun erschien sie ihm schlüssig und absurd zugleich. Er hoffte nur, die Johanniter würden nicht beginnen, auf die Seile einzuhacken, ehe sie alle festen Boden unter den Füßen hatten.
    Die Reiter vor Tiessa sprengten von der Brücke auf die Felsen, sie folgte gleich dahinter. Fauns Pferd wäre beinahe gegen ihres gerannt, als sie das Tier zügelte und angstvoll zu ihm zurückblickte. Sie stieß einen erleichterten Jubelruf aus, als sie ihn auf sich zusprengen sah, gefolgt von dem letzten Johanniter, der einen Augenblick später das Ufer erreichte.
    Staubwolken verschleierten noch immer die Mitte des Basaltflusses und verwehrten den Blick auf die Seldschuken am anderen Ufer. Es hagelte keine Pfeile mehr aus der Dunkelheit, und das konnte nur eines bedeuten – die Seldschuken hatten sich in Bewegung gesetzt und folgten ihnen.
    Faun suchte Saga, aber sie und Dürffenthal ritten mit der ersten Gruppe den Hang hinauf. Er widerstand dem Drang, ihnen nachzugaloppieren, und wollte stattdessen aus dem Sattel springen, um den Männern an den Seilen beizustehen. Aber Zinder gab Tiessa und ihm mit einem Wink zu verstehen, dass sie verschwinden sollten. Die Johanniter schlugen mit ihren Langschwertern auf die Stricke ein. Vibrierende Laute wie von verstimmten Instrumentensaiten klangen durch die Nachtluft, als die Klingen wieder und wieder auf die Seile herabrasten.
    Faun zögerte noch immer, die Männer allein zu lassen, aber Tiessa griff nach seinem Zügel und zerrte sein Pferd zugleich mit ihrem eigenen herum. Schnaubend trugen die Rösser sie den Hügel hinauf, aus der Reichweite der seldschukischen Bogenschützen. Die übrigen Ritter unter Dürffenthals Führung waren weit vor ihnen, eine Wolke aus Staub und Hufdonner, die oben auf

Weitere Kostenlose Bücher