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Herrin der Lüge

Herrin der Lüge

Titel: Herrin der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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aus der Hand. »Ich mach das«, sagte sie.
    Er zögerte, dann nickte er.
    Während sich die Ritter um Karmesin kümmerten und ein anderer auf ihn selbst zukam, sah Faun zu, wie Tiessa ein letztes Mal im Staub verschwand und wenig später mit leeren Händen vom Ufer des Basaltstroms zurückkehrte.
    Als sie schließlich wieder den Hang hinaufritten, Karmesin fast bewusstlos, Faun über sein bandagiertes Bein gebeugt, alle anderen in düsteren Gedanken gefangen, und während über ihnen auf der Kuppe Dürffenthals Trupp auftauchte, um nach dem Rechten zu sehen und sie in Sicherheit zu bringen, da wandte Faun ganz langsam den Kopf in Tiessas Richtung. Ihr Pferd lief neben seinem, und sie ließ ihn nicht aus den Augen.
    »Hast du es gezogen? Das Schwert?« Sie schüttelte den Kopf. »Du hast nicht nachgesehen?«
    »Wonach?« »Ob überhaupt ein Schwert in der Scheide war? Wielands magisches Schwert?« »Wer will das wissen?«, fragte sie.

Epilog
     
    Die ersten Sonnenstrahlen umrissen die Silhouette des Krak des Chevaliers mit einem flirrenden Goldrand, als man Zinder und die drei Ritter in Gräber am Fuß des Festungsberges legte.
    Warmer Wind wehte Sand und Staub aus dem Osten über das Land. Das Basaltgebirge, auf dessen Ausläufer der Krak so majestätisch thronte, lag schwarz und schroff vor einem Teil des gewaltigen Panoramas. Faun kam es vor, als wären die Berge seit ihrer Abreise näher gerückt; sie erinnerten ihn an die Gefahr durch die Seldschuken, die sich irgendwo im Osten zusammenbraute und bereitmachte für den großen Kampf.
    Der Großmeister hatte ihnen versichert, dass sich Nizamalmulk und seine Leute blutige Köpfe an den Wehrmauern des Krak holen würden. Auf irrwitzige Weise war es Faun vorgekommen, als fieberten die Johanniter dem Krieg mit den Seldschuken entgegen. Es wurden Messen gelesen, Kreuze an der Spitze von Prozessionen um die Festung getragen, allerorts Gebete gesprochen. Dabei war gerade mal ein Tag nach ihrer Rückkehr aus der Öde vergangen. Prediger zogen ins Land hinaus, um Freiwillige zur Verteidigung des Krak zu rufen. Ihre Gesichter glühten vor Eifer und Begeisterung, als sie mit ihren Kreuzstäben und Weihrauchgefäßen durchs Tor zum Fuß des Berges wanderten.
    Was auch immer hier im Laufe der kommenden Wochen geschähe – Faun, Tiessa, Saga und Karmesin würden es nicht miterleben. Ein jeder von ihnen hatte genug Schmerz und Leid gesehen. Nach Zinders Begräbnis wollten sie gemeinsam aufbrechen. Ein Trupp Johanniter würde sie nach Margat bringen, dort wollten sie sich auf ein Schiff nach Westen begeben.
    Sie hatten viel miteinander geredet. Entscheidungen waren getroffen worden; manche auch im Stillen.
    In einem Halbkreis standen sie an Zinders Grab, das mit Hacken in den felsigen Untergrund getrieben worden war. Karmesin hatte einmal mehr ihre päpstliche Autorität ausgespielt und gegen den Willen des Großmeisters durchgesetzt, dass Zinders Leichnam auf dem Gottesacker der Ritter zur letzten Ruhe gebettet wurde, nicht weiter draußen, wo die Vasallen und Diener verscharrt wurden.
    Sein Körper war in Tücher eingeschlagen, und sie sahen zu, wie Geröll und Sand auf ihn niederprasselten.
    »Hat er von ihrer Liebe zu Philipp gewusst?«, wisperte Faun.
    Saga zuckte die Schultern. »Vielleicht. Aber es hätte nichts geändert, oder?«
    Sie blieben am Grab stehen, lange nachdem die Beerdigung beendet war, erst schweigsam, dann zögernd in ein Gespräch über den Söldnerführer und seine Taten vertieft. Leise erzählten Faun, Saga und Tiessa einander, was Zinder ihnen bedeutet und wie er ihnen in dieser oder jener Lage beigestanden hatte.
    Karmesin stand daneben, blickte auf das unscheinbare Grab und hörte zu. Seit den Ereignissen in Gahmurets Burg sprach sie noch weniger als zuvor. Aber sie schien den Berichten der drei anderen gerne zu lauschen, und als ihr Gespräch allmählich gelöster und von melancholischer Fröhlichkeit erfasst wurde, gestattete sie sich dann und wann ein Lächeln.
    In ihrer aller Gedanken gewann Zinder neues Leben. Vielleicht war dies das Beste, das sie für ihren toten Freund tun konnten. Ihn neu erschaffen, so, wie sie ihn in Erinnerung behalten wollten.
    Ihm hätte das gefallen, dachte Faun.
    Natürlich hätte Zinder es niemals zugegeben. Er hätte gemurmelt und gebrummt, unwirsch wie es seine Art gewesen war. Unsinn, hätte er gesagt, und: Wem soll das helfen? Tot ist tot. Futter für die Würmer.
    Aber tief im Inneren, ja, da hätte es ihm wohl

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